Wiese

...

cf: Akademie - Königssaal
Endlich an der frischen Luft angekommen, atmete ich einmal tief ein. Im Königssaal war eine deutlich schlechtere Luft. Ich war froh, dass ich endlich draußen war.
"Die Wiese ist wunderschön." Endlich etwas mehr Natur. Das Gras war leuchtend grün, die Blumen äußerst farbenfroh. Für einen kurzen Moment konnte ich meine Gedanken abschalten. Ein angenehmer Wind wehte, was sich bei der für die Jahreszeit überraschende Hitze wirklich anbot. Ich spürte ihn sanft auf meiner Haut durch mein halb geöffnetes, blassblaues Hemd.
Wenn ich ehrlich war, war jedoch das Schönste, dass ich nicht alleine war. Wäre ich in meiner Animagusform, würde ich wohl freudig mit dem Schwanz wedeln und aufgeregt im Kreis laufen. Warum? Er löste das irgendwie in mir aus. Ich war einfach froh, dass er da war.

cf: Königshalle, Akademie

"Wunderschön? Du hast in deinem Leben wohl noch nicht viel schönes gesehen.", meinte ich und schaute kurz über die Wiese. Es war nicht schlecht, aber mir fehlte sowieso der Sinn für das Schöne.
Ich empfand nicht viele Dinge als schön. Die Stille der Nacht vielleicht...Schneefall.
Aber es war ein unerträglich heißer Sommertag. Ich holte zu Taylor auf und sah ihn von der Seite an.
"Besser hier draußen?"
Frische Luft war ja immer gut.

"Mag sein, aber mir gefällt es hier irgendwie." Na gut, die Wiese war nunmal nicht der einzige Grund, aber darüber schwieg ich lieber.
"Schon etwas besser, ja. Danke der Nachfrage", antwortete ich und und wendete mich wieder ihm zu. "Vielen Dank auch nochmal, dass du mitgekommen bist. Es ist schön jemanden bei sich zu haben und nicht immer alleine zu sein." Ein sanftes Lächeln umspielte meine Lippen.
Ich konnte wirklich von Herzen sagen, dass es mir gut ging, denn auch die Stimmen in meinem Kopf schwiegen als wollten sie mir diesen Moment schenken.

"Bist du denn immer alleine?", fragte ich gedehnt und vermied es Taylor anzusehen, sah stattdessen über die Ländereien und dachte daran, dass ich es mochte alleine zu sein.
Vielleicht war das der Grund, wieso er so anhänglich war. Er war im Leben viel alleine gelassen worden.
Mitleid? Vielleicht ein wenig, weil ich das Gefühl kannte.
Aber garantiert nicht zu viel. Dafür war ich zu abgestumpft, was Mitgefühl anbelangte.

Als ich seine Frage hörte, verlor ich mein Lächeln, mein Blick wurde ernst und ich wandte meinen Blick von Ares ab. "Allein ist dafür kein Ausdruck." Meine Stimme verlor ihren so positiven Klang, war fast rau. Ich krallte meine Finger mit voller Wucht in meine Oberarme, während in meinem Kopf Bilder zurückkamen. Ich verdrängte sie schnellstmöglich wieder und starrte fast förmlich in die Ferne. Den Druck auf meine Oberarme ließ ich nicht abweichen.

"Was dann?", erwiderte ich automatisch und drehte mich jetzt doch zu Taylor um. Ich wollte wissen, was ihn bedrückte und wieso er sich die Finger in den Arm krallte.
Nicht, um ihn danach zu bemitleiden, das konnte ich nämlich nicht. Aber um ihm zu sagen, dass er das irgendwann überwinden musste.
Egal was es war. Irgendwann würde selbst der tiefste Schmerz verschwinden.
Oder zumindest verblassen.
Abwartend sah ich Taylor aus meinen dunklen Augen an, eine Augenbraue abwartend angehoben.

"Ich war nicht nur allein. Ich war Dreck für die Leute. Und gewissermaßen bin ich das immer noch." Eigentlich war ich nie so offen. Ich wollte nie bemitleidet werden und habe daher immer geschwiegen. Ich wollte nicht schwach wirken. Irgendwie brach es aber heraus. Einfach so.
"Wer will schon Dreck haben? Keiner wollte einen elendigen Köter haben. Frage ist: Kann man das verübeln?", brach ich weiter hervor mit noch immer rauer Stimme und setzte ein schwaches, bedeutungsloses und kurzes Lächeln auf. Der Schmerz in meinen Armen pochte. Dann sah ich Ares in seine dunklen Augen. Was er wohl nun von mir dachte? Irgendwie hatte ich die Sorge, ich hätte auf eine Art und Weise bei ihm verloren.

"Verstehe..", meinte ich langsam und wandte mich wieder ab. Seltsam...ich hatte noch nie ein Wort mit ihm gewechselt und nun waren wir uns das erste Mal begegnet und er schien Schlimmes, aber für mich nichts Vergleichbares durchlebt zu haben.
Vielleicht war es engstirning und kleingeistig, aber meiner Meinung nach gab es nichts Schlimmeres als das, was Lyna widerfahren war.
"Du bist ganz sicher kein Dreck, Taylor.", meinte ich nach einer Weile und schob die Hände in die Hosentaschen.

Überrascht und mit entsprechend großen Augen sah ich ihn an. "Nicht...? Warum bist du davon überzeugt?" Ich hatte damit nicht gerechnet. Nicht mal vergleichbare Worte hatte ich zuvor gehört. Diese Worte dann auch noch von ihm zu hören... Ja, ich war wirklich überrascht. Womit hatte ich das verdient?

"Weiß ich nicht...ich glaube einfach nicht, dass du Dreck bist. Menschen, die Dreck sind, sind anders. Glaub mir, ich weiß das."
Beinah hätte ich bitter aufgelacht, aber ich hatte schon zu lange nicht mehr gelacht. Wahrscheinlich hatte ich es verlernt. Und mein Lachen hatte dem Ernst Platz gemacht.
Einer kalten Maske aus Misstrauen, Ernst und Wut...
Heiße Wut..

Als ich die Worte von Ares hörte, glaubte ich, ein wenig zu verstehen. Bei ihm war auch etwas in der Vergangenheit passiert, was wohl nicht schön war. Ich löste meine Finger von meinen Oberarmen, welche nun voll von tiefen Abdrücken meiner Nägel waren. Ich ging näher an Ares heran und umarmte ihn. "Danke", flüsterte ich leise. Wenn ich doch auch nur etwas für ihn tun könnte...

"Würdest du bitte die Freundlichkeit besitzen und mich loslassen?", sagte ich schneidend, schob Taylor aber nicht von mir weg, sondern rührte mich überhaupt nicht.
"Wenn du jemanden umarmen musst, dann ... nicht mich." Wirklich nicht.
Ich mochte keine Umarmungen. Oder wenn man mir zu nahe kam. Ich hatte gelernt, dass das gefährlich werden konnte. Im Karate wehrten wir uns gegen Nähe.
Nähe machte uns verletzlich. In jeder Hinsicht.

"Verzeihung... Es kam irgendwie über mich." Nervös fuhr ich mir durch die Haare und versuchte irgendwie zu lächeln. Herzlichen Glückwunsch, Taylor. Du hast es mal wieder versaut. Ich schaute betroffen von ihm ab und blickte auf die Wiese. Was mache ich jetzt nur bloß? Verdammt...

"Ein einfaches Danke genügt dann auch...", meinte ich knapp und fuhr mir kurz über die Arme.
Ich machte keine Ausnahmen, was körperliche Nähe anging. Nicht mal bei Taylor, der jetzt nervöser als je zuvor zu sein schien. Niemand rührte mich an.
Das brachte meine Gedanken wieder zu Lyna. Niemand rührte Lyna an.
Das tat nur Jonathan. Beinah hätten meine Hände angefangen zu zittern aber ich beließ es bei einem kurzen Ballen zur Faust.

Ich schwieg. Egal was ich tat, es folgte immer irgendwas Unerwünschtes. Ich hatte wohl wirklich kein Glück mit Menschen. Naja, ich kannte es aber eigentlich auch nicht anders. Kurz blickte ich auf seine Hände, welche er zu Fäusten geballt hatte. Irgendetwas beschäftigte ihn gerade.
Ich entschied mich dazu, mich ins Gras zu setzen. Ich kam mir sehr bescheuert vor. Leicht begann ich zu zittern. Dabei war es nichtmal kalt...

Ich sah wortlos auf Taylor runter. "Ich bin vielleicht nicht der, mit dem du über deine Probleme reden solltest. Da gibt es weit bessere Zuhörer und Tröster."
Zuhören konnte ich, trösten? Fehlanzeige. Es gab keinen Trost für manche Sachen. Dachte man zumindest. Ich dachte das. Jedenfalls würde es für mich erst Trost geben, wenn Jonathan tot war.
Und ich dafür verantwortlich war.
"Gehen wir wieder rein?" Ich sah wie der Ravenclaw ein wenig zitterte...bei diesem Wetter.

Es schmerzte. Ich konnte machen, was ich wollte, aber irgendwie erreichte ich ihn nicht. Im Gegenteil. Jetzt würden wir wieder gehen und ich stand wieder wie der letzte Depp da...
"Ok...", antwortete ich nur und sah ihn unbewusst mit großen, traurigen Augen - fast wie große Hundeaugen - an. Langsam raffte ich mich wieder hoch. Das Zittern wollte einfach nicht aufhören. Ich hatte das Gefühl, ich hatte versagt...

"Was ist los mit dir?" Ich bewegte mich nicht von der Stelle sondern sah den Blonden beinah verständnislos an. Ich verstand nicht wieso er mich so traurig ansah...wieso er zitterte.
"Du siehst aus wie ein Welpe, den man getreten hat? Hab ich was gemacht?"
Ich hob fragend eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor meinem breiten Brustkorb, Taylor abwartend ansehend.

"Ich... Ähm... Es tut mir leid, dass ich dir immer so auf die Pelle rücke...", entgegnete ich mit kleinlauter, etwas trauriger Stimme. Verstellungen? Fassaden? Fehlanzeige. Bei ihm schaffte ich es wieder nicht. Ares hatte etwas an sich, was mich davon abhielt, auf irgendeine Weise zu lügen. Verblüffend...
"Du hast nichts gemacht. Ich glaube, ich bin eher der, der hier einfach nur Mist baut." Meine traurigen Augen sahen ihn kurz an, wendeten sich dann leicht zum Boden ab. Konnte ich nicht auch einmal etwas richtig machen?

Wortlos sah ich Taylor an und sah dann zum Schloss. "Was für ein Mist denn?", fragte ich und richtete meinen Blick wieder auf mein Gegenüber. Ja ok, ich hatte vielleicht ein wenig abweisend reagiert als er mich auf einmal umarmt hatte, aber so war ich nun mal.
Und ich verstellte mich für niemanden. Zweifelnd sah ich Taylor an.
"Du hast doch nichts Schlimmes gemacht."

Ich hob kurz meinen Blick wieder. "Ich trete dir immer auf den Schlips. Entweder bin ich so dumm und setze ein Thema an, über das du nicht sprechen magst oder ich mache eine Aktion wie eben und mache wieder einen Fehler. Ich habe irgendwie das Gefühl, ich mache immer etwas falsch und ich mag dich nicht belasten."
War ich doch so froh gewesen, dass ich mit Ares alleine war, aber irgendwie machte ich ihm gegenüber alles schlimmer. Es ärgerte mich so sehr... "Es tut mir so leid..."

"Das ist sicher nicht deine Schuld...ich rede allgemein nicht sehr viel.", meinte ich trocken und fuhr mir kurz durch die Haare ehe ich Taylor wieder ansah. "Du machst dir zu viele Gedanken, was andere von dir halten....spuck einfach drauf, im Endeffekt musst du nur so sein, dass du mit dir selbst leben kannst." Ich zuckte ein wenig die Schultern und vergrub meine Hände in den Hosentaschen.
Jetzt war ich wohl die offizielle Seelsorge geworden...

"Aber ich hätte mehr Rücksicht nehmen müssen...", entgegnete ich. Er verstand wohl nicht, dass er es eigentlich war, bei dem es mir nur wichtig war, was er über mich dachte. " Naja... Eigentlich..."Sagen oder nicht sagen, das war hier die Frage. Womöglich sollte ich einfach meine Klappe halten. Er nahm mich womöglich schon wie ein kleines Kind war und wer wollte schon ein kleines Kind bei sich haben?
Sind Selbstzweifel nicht grausam? Was sollte ich jetzt machen? Vielleicht sollte ich mich im Erdboden versenken lassen...

Ich hob eine Augenbraue und zuckte die Schultern. "Auf meinen Gefühlen kann man eh nicht herumtrampeln, von daher.." Ich sah Taylor fragend an als er stockte und dann in Schweigen verfiel. "Was?", fragte ich und hob auffordernd beide Augenbrauen.
"Eigentlich ... was?"
Um ihn nicht so anzustarren, sah ich kurz zum Schloss hoch. Ich wusste, wie unangenehm meine Blicke sein konnten, die meisten Menschen gingen mir gerade deswegen aus dem Weg.