Der Lärmpegel im Königssaal war unangenehm angestiegen und hatten meine Kopfschmerzen noch intensiviert. Deshalb war ich geflüchtet und machte mich nun auf den Weg nach draußen. Das Schuljahr konnte wirklich interessant werden. Vor allem mit den ganzen Hogwartsschülern, obwohl mir einige wirklich leid taten. Sie waren wohl nicht darauf vorbereitet worden, was sie hier erwarten würde. Es war eben doch eine andere Welt wie in England.
Bella saß auf einigen Treppenstufen. Nach der Ansprache in der großen Halle hatte sie ein ruhiges Plätzchen gesucht, um mit ihrer Mutter zu telefonieren und ihr von den ersten Eindrücken zu erzählen. Sie steckte das kleine silberne Handy zurück in ihre Hosentasche und betrachtete ihre Fingernägel. Durch die ganze Kofferschlepperei war ein wenig Nagellack abgeplatzt. Aber Bella gehörte nicht gerade zu den Mädchen, für die das den Weltuntergang bedeutete. In große Halle zurück wollte sie allerdings noch nicht. Sie hatte keinen Hunger, dafür war sie viel zu aufgeregt. Und wirklich jemanden getroffen,den sie kannte hatte sie auch noch nicht. Aber das war ohnehin nur eine Frage der Zeit. Und bis dahin leisteten ihr eben ihre Fingernägel interessante Gesellschaft.
Unwillkürlich drehte ich mich um, als ich Geräusche vernahm. Merkwürdig, ich war davon ausgegangen, allein hier zu sein bzw. hätte ich nicht damit gerechnet, dass jemand überhaupt keinen Hunger verspüren sollte. Ich lächelte das mir fremde Mädchen freundlich an und beschloss, ihr Gesellschaft zu leisten, da sie doch ziemlich allein gelassen wirkte. "Entweder hast du dich verlaufen oder du hast tatsächlich kein Hunger." stellte ich lachend fest und blieb am Treppenansatz stehen. "Kann ich dir irgendwie behilflich sein?"
Bella war gerade damit beschäftigt, mit der Fingerkuppe des rechten Zeigefingers hochkonzentriert über den Fingernagel des rechten Ringfingers zu streichen. Das erforderte nicht nur höchste Konzentration, sondern auch allergrößte Langeweile. Bella sah auf und brachte erstmal ein verwirrtes "huh?" heraus, als sie von einem Jungen angesprochen wurde. Und von was für einem Junge, wow. Wenn er sich Mühe gab, konnte er die Fingernägel übertreffen, was die Disziplin 'Interessante Gesellschaft' in Bella Bensons persönlichen Olympiade der Langeweile betraf. "Ähm sofern du keinen Nagellack dabei hast, kannst du mir nicht behilflich sein, fürchte ich." lachte sie. "Es sei denn du hast vor, mir Gesellschaft zu leisten." lächelte sie freundlich und sah dann wieder auf ihren Fingernagel. "Siehst du? Ein echter Notfall. Die Ärzte geben ihm nur noch ein paar Stunden, dann muss wohl Dr. Nagellackentferner ran." berichtete sie.
Belustigt und auch ein wenig überrascht über die aufgeschlossene Art des Mädchens, lachte ich belustigt auf und setzte mich schlussendlich neben sie, um einen prüfenden Blick auf ihre Fingernägel zu werfen. "Eine Katastrophe!" rief ich dann aus und hob den Blick, um ihr in das hübsche Gesicht zu schauen. "Also Nagellack hab ich leider nicht da, meine Schwester hat vielleicht welchen, aber die ist damit beschäftigt, genervt tote Tiere zu verspeisen." Ich machte keinen Hehl daraus, dass ich Vegetarier war, doch drängte ich deshalb nicht jedem gleich meine Meinung auf. Es war die Entscheidung jedes einzelnen, was auf sein Teller kam und was eben nicht. "Und dabei will ich sie nicht stören. Außerdem ist sie nicht gerade freundlich Fremden gegenüber." Ja, die gute Sasha. "Ich bin übrigens Anton." stellte ich mich schlussendlich vor und grinste wieder.
Anton dachte Bella. Das ist ja mal wieder typisch. Da sitze ich schon hier und das Schicksal schickt mir einen lustigen und gutaussehenden Jungen, der mir Gesellschaft leisten will, und dann muss er natürlich einen dämlichen Namen haben. Anton. Ich mein wie soll man das denn lustvoll stöhnen? Manche Eltern waren echt grausam in der Namensgebung für ihre Kinder. Dachten sie denn nie daran, dass die Kinder auch mal Sex haben werden und der Partner sich dann freut, wenn er einen heißen Namen stöhnen kann? Bella riss sich grinsend aus ihren Gedanken los. "Tote Tiere verspeisen.. wenn du das so sagst, dann klingt das ja richtig.. leidenschaftlich. Lebende Tiere zu verspeisen fänd ich ehrlich gesagt aber noch viel merkwürdiger." lachte sie. "Ach, ich werde schon ohne Nagellack auskommen. Jetzt hab ich ja Gesellschaft. Du hast meine Fingernägel gnadenlos ausgestochen, weißt du?" lachte Bella erneut. "Bella Benson." stellte sie sich dann mit einem freundlichen Lächeln vor und sah Anton in die wachen, freundlichen Augen.
Die brünette Fremde schien gedanklich total abzuschweifen und ich wartete geduldig, bis sie meine Anwesenheit wieder wahrnahm, immer noch freundlich lächelnd. "Weißt du, bei manchen Gestalten, die hier so umherwandeln, würde es mich nicht mal verwundern, wenn sie lebende Tiere essen würden." sagte ich und meinte das auch vollkommen ernst. Erstens, Vampire. Okay, genau genommen, tranken diese nur Blut, aber das auch von lebenden... Menschen, Tieren, Wasauchimmer. Zweitens waren mir manche Wesen total suspekt. Zum Beispiel Nachtschatten. Ich lebte zwar mit einem unter einem Dach, aber sie waren doch ein großes Rätsel. Drittens war außergewöhnlich hier schon wieder normal. "Das freut mich doch, zu hören." meinte ich schmunzelnd und lehnte mich ein wenig zurück, um Bella besser im Blick zu haben. "Also, der Name ist wirklich zutreffend." Sie ist hübsch, hat Humor und macht auch keinen wirklich dummen Eindruck. Ihr Kleidungsstil gefällt mir... Stop Tony. Nicht verlieben. Du kennst sie ja gar nicht!
"Also ich könnte darauf verzichten, diese Gestalten zu treffen." merkte Bella an und lehnte sich ebenfalls zurück und schlug die Beine übereinander. "Was meinst du damit?" lachte sie auf den Kommentar zu ihrem Namen hin. Ja, 'Bella' war deutlich stöhnbarer, das stimmte schon. Und er strahlte so eine angenehmer Aura aus und zerging auf der Zunge. Bella mochte ihren Namen. Für Anton hingegen würde sie sich wohl einen Spitznamen einfallen lassen müssen. Aber das würde sie schon schaffen. Schließlich gab sie ständig irgendwelchen Leuten Spitznamen, auch wenn diese es vielleicht nicht unbedingt wussten. Sie musste nur darauf warten, dass er etwas tat oder sagte, woraus sich ein geeigneter Spitzname ergab. Und früher oder später würde das schon passieren, da war sie zuversichtlich.
"Das wird eine Herausforderung." meinte ich stirnrunzelnd und lachte dann auf. Nein, diese Schule war alles andere als normal. "Ich meine damit, dass der Name Programm ist." erklärte ich ihr. "Du hast hübsche Gesichtszüge." Wahrscheinlich, dachte ich, hat sie einen Freund. Und ist glücklich verliebt. Ja, wahrscheinlich hat sie ihren Traumprinzen schon gefunden. Eigentlich schade, ich könnte mich wirklich in sie verlieben. Und das liegt wirklich nicht nur daran, dass sie wirklich gut aussieht. Hm...
"Ich steh auf Herausforderungen." grinste Bella, auch wenn sie sich eingestehen musste, dass sie wohl wirklich keine Ahnung hatte, was sie hier noch alles erwarten würde. Sie hatte im Königssaal einige Schüler gesehen, die Blut getrunken hatten. Allein das zeigte schon, dass sich die Akademie in einigen Punkten von Hogwarts unterscheiden würde. Aber solange die Akademie den Schülern das Blut stellte, musste sie sich selbst ja keins besorgen, oder? "Ahww, das ist wirklich süß von dir." meinte Bella und sah etwas verlegen zu Boden. "Und, Anton" erkundigte sie sich dann. "Gibt es eine Frau in deinem Leben?" Die Treppe wurde allmählig etwas kalt am Hintern. Aber eigentlich wollte Bella grad nicht weg. Sie genoss Antons Anwesenheit.
"Na, wenn das so ist...." erwiderte ich und zuckte leicht mit den Schultern. Offensichtlich hatte sie absolut keine Ahnung, aber das würde schon irgendwie werden. Wieder sah ich auf und mein Blick traf direkt auf ihren. "Nein, leider nicht." meinte ich wehmütig und schenkte ihr ein schwaches Grinsen. Es war schwer, die Richtige zu finden, und das musste ich immer wieder feststellen. Ich war nicht an schnellen Nummern interessiert oder daran, möglichst viele Mädchen den Kopf zu verdrehen. Ich suchte nach einer, bei der es einfach passte. Äußerlich, innerlich und zwischenmenschlich.
Bella musterte Anton von Kopf bis Fuß. Wie es wohl kam, dass er, der er doch sehr offen und gesellig zu sein schien und auf jeden Fall gut aussah, keine Freundin hatte? "Soso." stellte Bella schließlich grinsend fest. "Und, was ist es?" fragte sie weiterhin breit grinsend. "Womit schlägst du die Frauen in die Flucht?" wollte sie weiterhin lächelnd wissen. Irgendeinen Grund dafür musste es ja geben. Oder er hatte einfach nur Pech gehabt. Aber Menschen wie er und Pech in der Liebe? Unwahrscheinlich. "Es sind doch Frauen, die du willst, oder?" versicherte sich Bella nochmal und musste lachen. "Bitte nimm mir die Frage nicht übel, aber man weiß ja nie. Und du bist sehr gepflegt. Das gefällt mir, aber es könnte ein Indiz sein!" lachte sie. Wenn er so locker war, wie sie dachte, dann würde er das nicht persönlich nehmen. Hoffentlich dachte sie.
"Du hast mich gerade nicht gefragt, ob ich schwul bin?" fragte ich verdutzt und eine - zugegeben gezupfte - Augenbraue schnellte nach oben. Also auf ihren hübschen Mund war sie nicht gefallen, das stand fest. Mein Gesichtsausdruck wurde wieder normal und ich ließ mein Blick ins Leere schweifen. "Ich hab wohl einfach noch nicht die Richtige gefunden." meinte ich und fixierte dabei die Tür. "Bei dir erübrigt sich die Frage aber bestimmt." meinte ich dann und sah wieder zu ihr. "Ich wette, du bist glücklich vergeben." Natürlich war sie das. Sie hatte Selbstbewusstsein, Humor, sah gut aus. An der Seite eines solchen Mädchens stand mit höchster Wahrscheinlichkeit ein ebenso charmanter Junge.
Bella musste auflachen. "Doch, hab ich, man kann ja nie wissen." meinte sie weiterhin lachend und boxte ihm leicht gegen die Schulter. Bella setzte sich in den Schneidersitz, weil ihre Sitzposition allmählig unbequem wurde. "Und was macht für dich die richtige aus?" fragte sie neugierig und musterte seine Augen. Goldbraun. Das gefiel ihr. Sie sahen irgendwie.. ehrlich aus. "Okay, um was wetten wir?" fragte sie amüsiert. "Diese Wette verlierst du nämlich." meinte sie fröhlich und warf nochmal einen Blick auf ihre Fingernägel.
Ich musterte sie schmunzelnd, während sie lachte. Sie hatte ein schönes Lachen. "Damit hätte ich nicht gerechnet." meinte ich dann mal wieder verdutzt auf die Aussage, sie wäre Single. Hola die Waldfee, vielleicht hatte ich heute einfach nur unfassbar viel Glück? "Ich weiß nicht genau." antwortete ich und räusperte mich dann. "Sie muss auf jeden Fall ein Gefühl für Mode haben. Sie darf sich auf keinen Fall gehen lassen und muss ein gesundes Selbstwertgefühl haben." Wenn man mir so zuhörte, klang das ziemlich... oberflächlich. Aber wieso sollte ich lügen? "Und sie sollte Humor haben." fügte ich dann schließlich noch hinzu, um nicht so ganz den Eindruck des oberflächlichen Arschloches zu erwecken. Wenn ich ehrlich war, hatte ich wohl einfach nur zu hohe Erwartungen an die Frauenwelt.
Als er ein Gefühl für Mode erwähnte schaute Bella instinktiv an sich herunter. Ein lachsfarbenes Top und ausgefranste blaue Jeans. Was er davon wohl hielt? Innerlich musste Bella lachen. Sie war nicht eine der Mädchen,die stundenlang vor dem Schrank standen und sich nicht entscheiden konnte. Sie griff jeden Morgen instinktiv etwas heraus und zog es an. "Naja ich denke jedes Mädchen achtet zumindest ein bisschen darauf, wie sie aussieht." sagte Bella schließlich. "Ich persönlich muss mir allerdings nicht ständig was neues kaufen, nur weil es vielleicht gerade in Mode ist. Ich besitze eben Klamotten, die mir gefallen, die ich gern trage und in denen ich mich wohl fühle. Warum also an meinem Bauchgefühl zweifeln, das mich geführt hat, als ich die Sachen gekauft hab? Die Klamotten mag ich einfach, also warum was anderes ausprobieren?" lachte sie. Es war vielleicht eine recht einfache Sicht, aber so war sie eben.
Auf das Thema Mode stieg ich natürlich sofort ein und meine Augen leuchteten ein wenig auf. "Klar, du hast Recht. Ich verlange ja auch nicht, dass alle nach der neusten Mode gekleidet sind und ausschließlich Designerklamotten in ihrem Schrank haben." begann ich meine kleine Rede über Mode, die meine Schwester zutiefst verachtete, da ich sie ihr schon etliche Male vorgetragen hatte. "Aber es lassen sich zu viele Mädchen einfach gehen oder noch schlimmer, ertrinken in der Masse, weil sie sich nicht trauen, heraus zu stechen. Und manche machen einfach alles falsch, indem sie sich zu viel Mühe geben. Ich finde, es gibt für jeden Menschen den perfekten Stil, den haben jedoch die meisten noch nicht gefunden." In meinem Eifer hatte ich mich nach vorne gelehnt und lehnte mich nun wieder entspannt zurück. "Da will ich erst gar nicht mit den Herren der Schöpfung anfangen." Ich selbst hatte mich heute morgen für ausgebleichte Jeans, ein schlichtes, dunkles Poloshirt und schwarze Chucks entschieden.
"Mode scheint dich zu interessieren, hm?" meinte Bella, für die das nie ein großes Thema gewesen war. Wenn sie nicht schon geklärt hätten, dass er nicht schwul ist, wäre das nun ein weiteres Indiz. Aber er hatte Recht mit dem, was er sagte. "Was sagt meine Kleidung denn über mich gerade aus?" wollte Bella schließlich wissen und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Wenn man auf solche Dinge achtete, konnte man sicher eine Menge über die Menschen erfahren, ohne je mit ihnen gesprochen zu haben.
"Ja, ziemlich." gab ich ehrlich zu und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. Wahrscheinlich würde sie jetzt meine Heterosexualität wieder anzweifeln. Denn, waren wir mal ehrlich, welcher Typ interessierte sich denn schon für Mode? Doch anstatt des Protests, den ich erwartet hatte, stellte sie mir eine ziemlich überraschende Frage. Ich legte den Kopf ein wenig schräg und musterte sie noch einmal. "Also ein Mauerblümchen bist du nicht, sonst würdest du dich wohl auf keinen Fall für lachsfarbene Klamotten entscheiden. Und trotzdem bist du keine Tussi, sondern eher lässig, ziemlich aufgeschlossen und kontaktfreudig." gab ich meine Analyse zum Besten und grinste dann zufrieden.
Bella musste breit Grinsen. "Volltreffer." sagte sie nur und war begeistert von der treffenden Analyse. Ein gutaussehender Mann mit Durchblick. Nicht schlecht. "Du gefällst mir" gab Bella offen zu. "Bist du schon länger an der Akademie? Ich bin nämlich neu hier und habe noch nicht so den Durchblick. Ich bin eine der Hogwarts-Austauschschüler, wenn du so willst." erklärte sie und schlug wieder die Beine übereinander.
Ein selbstbewusstes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Nicht, dass ich behaupten wollte, ich hatte immer Recht, aber ich hatte ein ziemlich sicheres Gefühl, richtig zu liegen. Ihre offene Art haute mich schon wieder um und ich hob nur eine Augenbraue. "Danke, du bist aber auch nicht schlecht." erwiderte ich lachend. "Ja, ich bin hier jetzt schon mein sechstes Jahr." antwortete ich. "Wenn du willst, kann ich dir helfen." bot ich dann großzügig an.
"Super. Hilfe wäre super." lächelte Bella. "Ich kenn mich nämlich noch nicht so aus ihr und ehrlich gesagt ist mir schon ein wenig unwohl. Ich kenne ja die ganzen Leute hier noch gar nicht, weder Schüler noch Lehrer. Und ich werde mich garantiert noch verlaufen." lachte sie. "Frauen und Orientierungssinn eben." meinte sie zwinkernd. "Aber jetzt habe ich ja wen, an den ich mich wenden kann." lächelte Bella und spielte mit einer Haarsträhne.
"Dir würde hier bestimmt jeder gerne helfen." meinte ich und lächelte ebenfalls. ja, als gutaussehendes Mädchen hatte man es überall leicht. Typen waren so einfach gestrickt. "Das wird schon werden." fügte ich zuversichtlich hinzu und beobachtete sie dann von der Seite, wie sie mit ihrer Haarsträhne spielte.
"Du bist aber auch ein kleiner Charmeur, oder?" lachte Bella. "Da hast du vielleicht recht. Aber ich würde sagen: Wer zuerst kommt mahlt zuerst." erwiderte sich noch immer lächelnd. Sie lies ihren Blick kurz über die Decke schweifen und wandte sich dann wieder Anton zu. "Und ich denke, mein erste Wahl ist gar nicht mal so schlecht."