Der Königssaal

Mit einem knappen Nicken quittierte ich Lynas ausweichende und vage Antwort und rührte in meinem Kaffee herum. "Naja..er scheint ein paar Probleme zu haben. Jedenfalls meinte er, er wäre Dreck und hat mich dann umarmt und ..." Ich sah Lyna kurz an und hob eine Augenbraue.
"Keine Ahnung, er scheint irgendwie ziemlich verletzt worden sein in seiner Vergangenheit."
Ich trank meinen Kaffee aus und sah mich nach was zu Essen um, dachte dabei über den blonden Ravenclaw nach.
Eigentlich wollte ich nicht wissen, was es war, dass ihn zu so einem Häufchen an Selbstbewusstsein gemacht hatte, aber ich war mir sicher, dass es mit Lynas Vergangenheit nicht zu vergleichen war.

Ich nahm Ares' Antwort mit einem knappen Nicken zur Kenntnis und sah in meine leere Tasse, ehe ich mir die Kaffeekanne schnappte und mir noch eine Tasse eingoss. Nachdenklich rührte ich mit dem Löffel herum, obgleich ich dieses Mal auf Zucker verzichtete.
"Er hat ... dich ... umarmt?", beim letzten Wort schoss meine Stimme eine Oktave nach oben und ich starrte meinen Bruder mit ungläubigen Blick und offenen Mund an, als wäre er das achte Weltwunder oder so ... Ares und sich umarmen? Das passte einfach nicht zusammen.
"Ähm", gab ich ziemlich geistreich von mir.

"Ja, hat er.", sagte ich und grinste sogar ein wenig, da meine Schwester mehr als geschockt wirkte.
"Falls es dich beruhigt, ich hab ihn wieder abgeschüttelt. Aber dann hat er mich angesehen wie ein getretener Hund und ... "
Ich zuckte die Schultern und ließ den Satz in der Luft hängen. Wahrscheinlich war es einfach so über ihn gekommen. Aber für Umarmungen und tröstende Worte war ich wirklich nicht die richtige Person.
Ich schenkte mir einen zweiten Kaffee ein, damit ich für den kommenden Unterricht auch genug Koffein intus hatte und aufpassen konnte.

Schwungvoll schwang die Tür des Königsaals, als ich den Raum betrat und energisch durch den Raum stapfte, um mich auf irgendeinen freien Platz fallen zu lassen.
Als ich meine Tasche schließlich geräuschvoll auf den Boden unter dem Tisch platziert hatte und den Blick hob, erkannte ich Anna und ein Ansatz eines Lächelns huschte über meine Lippen. Unbewusst hatte ich also doch eine ziemlich gute Wahl getroffen. Mich selbst innerlich lobend, zog ich eine Tasse und die Kaffeekanne heran, um mir einzuschenken.
"Und, immer noch in der Laune, alles um dich herum abzufackeln? Wenn dem nämlich so ist, such ich mir einen Platz weiter weg von dir." begrüßte ich sie ohne Umschweife und trank einen Schluck schwarzen Kaffee, ohne Zucker, ohne Milch.

Ich... schwieg. Es gab schließlich nichts zu sagen, nichts zu erwähnen, nichts zu erzählen. Die Wahrheit? ertönte eine klare Stimme in meinem Kopf, die ich jedoch ignorierte. Nein, die Geschwister waren mit sich selbst beschäftigt.
Ein leises Seufzen entfuhr mir. Ich vermisste meinen Bruder, auch wenn ich das nicht zugeben wollte. Ich wollte ihn in den Arm nehmen und sagen, dass das alles nur ein schlechter Traum war. Aber das ging nicht.  
Gedankenverloren rührte ich in meinem Kaffee und mein Blick wurde leer, während ich einen unbestimmten Punkt fixierte. Mein Leben war ein Trümmerhaufen. Und jede einzelne Scherbe schnitt mir immer wieder in die Haut. Bei jeder Begegnung mit Menschen aus der Vergangenheit. Bei jedem Gedanken, der sich wieder um die Vergangenheit drehte. In jedem Augenblick, in dem ich meinen Tod wieder und wieder durchlebte.
Wie eine Spirale drehte sich alles immer weiter, drehte sich alles um mich herum, wurde enger, schmiegte sich an mich und ließ mir keine Luft mehr. Keine Luft zum Atmen. Keinen Platz zu vergessen. Denn die Spirale würde sich ewig weiter drehen... es würde kein Ende finden. Bis in die Ewigkeit.

Ich lächelte und folgte Bella. Mal sehen, wo sie mich hinführte.

tbc:s. Bella Benson...Ich glaube Garten mit Obstbäumen oder so ähnlich xD

15. September 2020 <> Dienstag <> ca. 5:00 Uhr <> Morgen

Stefan verließ den Saal und ich lehnte mich wieder in meinen Stuhl zurück und fokussierte meine Aufmerksamkeit auf das Essen vor mir. Ich wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte. Der Junge war mein Sohn, mein Fleisch und Blut und doch konnte ich ihm nicht die Liebe entgegen bringen, die ich Anna entgegen brachte. Es ging einfach nicht. Nicht seitdem ich erfahren hatte, dass mein Sohn mein eigner, größter Konkurrent war. Seufzend trank ich das Blut aus und stellte den Kelch wieder auf den Tisch, leckte mir über die Lippen und schloss die Augen.

15. September 2020 <> Dienstag <> ca. 5:00 Uhr <> Morgen

Stumm sah ich auf meine Tasse, in der mal wieder gähnende Leere herrschte. Nur die braunschwarzen Schatten auf dem Grund waren Zeuge von dem Inhalt, der noch vor wenigen Sekunden existiert hatte.
"Er scheint es nicht einfach zu haben", sagte ich leise und hob dann den Blick um Ares anzusehen.
Was auch immer in Taylors Vergangenheit geschehen war, es musste alles andere als schön gewesen sein.
Ob er ..., ich biss mir auf die Lippe, als der Gedanke in mir aufkam.
Ein Gedanke, an den ich nicht denken wollte. Es tat weh, schnitt sich wie eine Scherbe in mich hinein. Ich atmete tief durch und zwang mich dann, an etwas anderes zu denken. Mein Blick fiel auf Dawn, die ziemlich abwesend wirkte, doch ich konnte mich nicht überwinden, sie aus den Gedanken zu reißen.

15. September 2020 <> Dienstag <> ca. 5:00 Uhr <> Morgen

Ich fuhr aus den Gedanken auf, in die ich zwischenzeitlich versunken war, nachdem Toby sich in Schweigen hüllte und Ria ihre Wege gezogen war und sah zur Seite. Ein schwaches Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich stützte das Kinn auf die Handfläche.
"Nein, ausnahmsweise mal nicht", beruhigte ich Sasha.
Der Grund ist ja auch gar nicht hier, schoss es mir durch den Kopf und unweigerlich sah ich zum Lehrertisch.

Ich musterte den Jungen, der bei Anna saß, beschloss jedoch, ihn zu ignorieren.
"Heute ist wohl wirklich mein Glückstag." antwortete ich und fischte ein Weckle aus dem Brotkorb, um die eine Hälfte mit Marmelade und die andere mit Butter und Käse zu bestreichen und belegen.
"Und, was gibt es Neues?" fragte ich sie, bevor ich von der Hälfte mit dem Käse abbiss.

15. September 2020 <> Dienstag <> ca. 5:00 Uhr <> Morgen

Ich sah von meiner Tasse zu Toby, doch dieser schien sich gedanklich von uns verabschiedet zu haben. Schulterzuckend wandte ich mich deswegen wieder Sasha zu. War ja nicht mein Problem, was dieser Hufflepuff dachte.
"Öhm, nichts und bei dir?", fragte ich dann, griff mir eine weitere Mandarine - meine sechste, meine Güte, war ich süchtig - und begann sie zu schälen.

"Hab grad ein stranges Mädchen kennen gelernt." erzählte ich und trank einen Schluck Kaffee. "Katherina oder so. Ich hab sie aus Versehen umgerannt und dann hat sie sich verhalten, als wäre sie auf der Flucht oder so. Total verrückt."
Ich zuckte mit den Schultern und runzelte die Stirn. Dieses Mädchen war mir wirklich mehr als suspekt.

Ich sah zu Sasha.
"Wirklich strange", murmelte ich und runzelte die Stirn.
Wer verhielt sich denn bitte schön ohne Grund so merkwürdig, wie Sasha es gerade geschildert hatte? Irgendetwas musste da vorgefallen sein ...
"Lust eine rauchen zu gehen?", fragte ich Sasha dann und erhob mich bereits.

"Ernsthaft so. Ich hab ihr absolut nichts getan." meinte ich augenverdrehend, schenkte meine Tasse Kaffee noch einmal nach und erhob mich ebenfalls.
"Anna, nur zu gern." antwortete ich fröhlich und verließ den Königssaal.

"Menschenkinder", war mein einziger Kommentar, ehe ich mir meine Tasse schnappte und Sasha nach draußen folgte. In dieser Schule ohne Nikotin auszukommen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Hach ja, mein Geldbeutel wird sich freuen ...

"Wer hat es im Leben schon einfach...", sagte ich und bedachte Dawn mit einem kurzen Blick, aber da ich ihr nicht allzu sehr auf die Pelle rücken wollte, beließ ich es dabei und sah stattdessen meine Schwester wieder an. Unter dem Tisch nahm ich ihre Hand und drückte sie einmal fest.
Es war mir klar, was sie dachte, wenn sie so vor sich hinstierte und der Gedanke daran machte mich fast rasend vor Zorn.
"Lyna..." Ich sprach ganz leise, es war nur für sie bestimmt und ich nahm ihre Hand noch ein wenig fester bis sie wieder durchgeatmet hatte.
Erst dann ließ ich sie - und das nur widerwillig - los.
Mein Blick ging wieder zu Dawn und ich seufzte auf als ich zum Lehrertisch sah. Ich hatte um ehrlich zu sein keine Lust auf Unterricht. Auch wenn das hier ein Neustart werden sollte - motiviert war ich nicht.
"Also Dawn...wie waren die Ferien?" Ich fragte nur, weil ich nicht wollte, dass diese Lyna ansprach. Niemanden ging es etwas an, was bei uns zuhause abgelaufen war und dort sicher noch immer ablaufen würde, wenn wir nicht abgehauen wären.

15. September 2020 <> Dienstag <> ca. 5:00 Uhr <> Morgen

Leise seufzte ich auf und strich mir eine Strähne, die sich aus meiner Frisur gelöst hatte, aus dem Gesicht. Als Ares meine Hand nahm und fest drückte, erwiderte ich den Druck. Ohne ihn anzusehen, wusste ich, was in ihm vorging. Die heiße Wut konnte ich fast schon körperlich spüren und seufzte leise auf, strich mit den Finger kurz über seine Hand und lächelte leicht.
"Lass uns nicht darüber nachdenken", murmelte ich leise und lehnte mich dann zurück, sah zu Dawn, als Ares sie nach den Ferien fragte ...

Ich fuhr zusammen und schmiss meine Tasse um, da ich mich so erschrocken hatte, als Ares Stimme zu mir durchdrang. Zum Glück war meine Tasse leer gewesen, doch von dem Klirren der Tasse zuckte ich noch einmal zusammen. Ich sollte wirklich aufhören, so schreckhaft zu sein.
"Meine Ferien?.. ganz gut, ich war in Italien bei einer Freundin und..." antwortete ich und lächelte dann matt. Wenigstens hatte ich nicht gelogen, nach meiner Verwandlung hatte ich mich mit Nyla in ihrer Heimat aufgehalten.

"Sorry...", sagte ich tonlos und stellte Dawns Tasse auf. Dass sie so schreckhaft war, war mir irgendwie neu, aber ich kannte Dawn auch nicht allzu gut, als dass ich sie jetzt danach hätte fragen können.
"Italien..." Ich sah zu Lyna und streifte kurz ihren Blick. Italien war zwar warm und sonnig, doch dort würde uns keiner suchen, wenn es jemals dazu kommen würde, dass Jonathan und seine widerwärtige Frau nach uns fahnden würden, wenn wir nicht mehr nach Hause kamen.
Nach Kasachstan konnten wir nicht wieder zurück, da würde man uns sofort finden.

15. September 2020 <> Dienstag <> ca. 5:00 Uhr <> Morgen

Ich versank ein wenig in Gedanken, auch wenn es im Saal keineswegs ruhig wurde. Nyla war nicht da und ich biss mir auf die Lippen, als ich an gestern denken musste. Es war keine angenehme Situation gewesen und ich wusste nicht, ob ich dieses ganze Theater lange würde aufrecht erhalten können. Es war nötig, das war mir ja nur zu deutlich bewusst, doch die andere Seite war: Konnte ich es? Ich wusste es wirklich nicht.
Muss du es auf dich zukommen lassen ..., flüsterte mein Verstand und ich seufzte auf.
Ja, ich würde es auf mich zukommen lassen müssen. Welche Wahl blieb mir auch sonst? Da ich noch ein wenig Zeit hatte, griff ich nach einem Brötchen, schnitt es auf, bestrich es mit einer dicken Schicht Chilieaufstrich und legte eine Scheibe Käse drauf, ehe ich hinein biss.

15. September 2020 <> Dienstag <> ca. 5:00 Uhr <> Morgen

Das Klirren der umgeschmissenen Tasse ließ mich zusammenzucken und aus den Gedanken auftauchen, in die ich kurzfristig abgetaucht war. Kurz fuhr ich mir über das Gesicht und schloss die Augen, als Ares zu mir sah. Ich wusste, was er dachte, doch das tat weh. Nie, niemals hatte ich gedacht, jemals in die Situation zu kommen, meine geliebte Heimat verlassen zu müssen. Womöglich würde ich nie wieder kasachischen Boden unter meinen Füßen spüren können ... dieser Gedanke trieb mir Tränen in die Augen und unwirsch wischte ich über mein Gesicht. Ich wollte nicht heulen, nicht im Königsaal, nicht vor Dawn und meinen Bruder. Ich wollte nicht schwach sein, wollte niemanden Anlass zur Sorge geben. Ich war stark! Der Gedanke haftete sich an mich und ich richtete mich auf, mit einem entschlossenen Ausdruck in den Augen, auch wenn meine Gedanken noch immer kreischend um das Thema Heimat kreisten und mir leichte Stiche ins Herz versetzten ...
Aber ich würde nicht heulen ...

Rückblick

Irgendwann warf ich einen Blick auf meine Uhr und seufzte auf. Jetzt hieß es wohl, mich meinem selbst erwählten Schicksal zu stellen und die 7. Klasse in Zauberkunst einzuweisen. Ich war ja schon ziemlich gespannt auf die Schüler, hoffentlich würden sie sich nicht allesamt als Dummpfosten herausstellen. Ich schob den Stuhl nach hinten und verschwand durch den Lehrergang.

Tbc: Sprung

Rückblick

Als sich der Saal zu leeren begann, sah ich auf meine Uhr und seufzte auf. Yehu, Unterricht. Ich war so was von gar nicht motiviert. Ein wenig brummend erhob ich mich, schnappte mir meine Tasche und verließ den Saal.

Tbc: Sprung

R Ü C K B L I C K
Ich seufzte leise, als sich der Saal leerte und Lyanna neben mir aufstand. Es war wohl Zeit für den Unterricht, hurray. Na ja, wenigstens würde niemand auf die Idee kommen, mich während der Stunde mit Fragen zu löchern... hoffte ich zumindest inständig.
Langsam erhob ich mich, ließ meinen Blick durch den Saal huschen, doch kein Blick blieb an mir kleben, als hätte ich eine fette Warze mitten im Gesicht - wofür ich ziemlich dankbar war. Ich wollte nicht schon gleich dem nächsten in die Arme laufen und ihm alles in voller Länge erklären müssen.
Ich griff nach meiner Tasche, schulterte sie und verließ schnellen Schrittes den Saal.