Der Königssaal

Ich war in Gedanken versunken und bekam so nicht mit, wie Dawn fast ihre Tasse zerdrückte. Meine Gedanken glitten hin und her und ließen sich nicht einfangen oder abstellen. Ich seufzte und schob Teller und Tasse von mir weg, um Platz zu haben, ehe ich meinen Kopf auf meine Arme bettete und die Augen schloss. Ich war müde ...
"Auch", murmelte ich leise, als Dawn fragte, was ich hatte.
Also waren wir doch im gleichen Jahr, irgendwie beruhigend ...

"Schön." meinte ich und hatte mich wieder halbwegs beruhigt. Die Erinnerungen an meinen Tod waren einfach noch so präsent und klar, es war einfach nicht genug Zeit vergangen. Hätte ich mich aber geschont, wäre ich in ein Loch gefallen... nein, ich musste weiter machen. Um meine Selbst Willen.
"Also sind wir im selben Jahrgang." schlussfolgerte ich und trank meine Tasse Kaffee vollständig leer. Irgendwie war ich froh noch jemand anderen, den ich mochte und der nicht Nyla war, zu kennen.

"Sieht ganz so aus", erwiderte ich ein wenig erleichtert.
Wenigstens gehörte Dawn zu den wenigsten Menschen, die ich mochte, ansonsten hätte mich die Gerüchte um ihren Tod ja nicht so aus der Bann geworfen, nicht wahr? Ich ließ meinen Kopf weiterhin auf den Armen gebettet und schloss die Augen. Die Müdigkeit zehrte an mir, doch es war sicherlich keine so gute Entscheidung, jetzt Schlaf nachzuholen, wo doch bald Zauberkunst begann ...

Wachsam ließ ich meinen Blick durch den Saal schweifen. Seitdem ich Joshi gestern gesehen hatte - und dann auch noch neben einer ziemlich hübschen Blondine -, war ich angespannt und ich wollte ihn unter keinen Umständen über den Weg laufen, auch wenn ich wusste, dass das so gut wie unmöglich war.
"Ich hoffe, dass die Professoren in Ordnung sind." murmelte ich und richtete meinen Blick auf meine Fingernägel, von denen sich der Nagellack schon absplitterte.

"Ich weiß auch nicht." meinte Bella weiterhin fröhlich und schulterzuckend. "Ich habe einfach prima geschlafen. Es ist warm, die Sonne geht gleich auf, sieht alles nach einem tollen Tag aus." erklärte sie und biss herzhaft in ihr Käsebrötchen. Ja, es war ein guter Morgen. Und sie schloss gerade eine nette Bekanntschaft. So musste ein Tag beginnen. "Und wie kommt's, dass ein hübscher Kerl wie du beim Frühstück keine Gesellschaft hat?" erkundigte sie sich und biss erneut genussvoll in ihr Brötchen.

Ich hob irgendwann den Kopf, die Sitzhaltung wurde mit der Zeit einfach unangenehm und bekam noch mit, wie sich Dawn wachsam umsah.
"Suchst du wem?", fragte ich sie und nahm mir dann doch einen Apfel und ein Messer, schnitt das Obst in zwei Hälfte durch und legte eine davon auf einen Teller, ehe ich in die andere hinein biss.
Wo bleibt Ares? Und Taylor?, fragte ich mich und spürte eine nur allzu bekannte Unruhe in mir aufsteigen. Das war echt lästig, ließ sich aber nicht abstellen. Wann immer ich meinen Bruder zu lange nicht gesehen hatte, wurde ich unruhig und mein fantasiereiches Gehirn spinnte sich sogleich die schlimmsten Szenarien zusammen. Erst, wenn ich Ares wiedersah und mich vergewissern konnte, dass es ihm gut ging, erlangte ich meine Ruhe zurück.
"Ich hoffe auch, dass die Lehrer ok sind", murmelte ich leicht abwesend und trommelte leicht mit den Fingern auf der Tischplatte herum, während der Apfel in meiner Hand immer kleiner wurde.

Ich lachte, als ich ihrer Erklärung lauschte. Im Gegensatz, zu den Mädchen, die er gestern kennengelernt hatte, war Bella aufgeweckt und fröhlich und es war kein Problem ein Gespräch mit ihr zu beginnen. Man musste ihr kein Wort aus der Nase zuehen, was äußerst erleichternd war.
"Vielleicht hofft er ja darauf, dass sich ein hübsches Mäschen seiner erbarmt und ihm Gesellschaft leistet." schlug ich mit einem charmanten Lächeln auf meinen Lippen vor.
Wie häufig schlug sich mein Veela-Blut durch und entsandte eine fesselnde Aura um mich herum. Es war definitiv nicht beabsichtigt, doch verhindern konnte ich es auch nicht. Dafür war ich viel zu impulsiv. Ich fuhr mir durch die Haare und nippte an meinem Kaffee.

(sorry, nicht gesehen)

Bella lachte. Er war schlagfertig. Und eine gute Unterhaltung am Morgen vertrieb Kummer und Sorgen. Auch wenn es noch sehr sehr seeehr früh, ätzend früh, viel zu früh, am Morgen war. Bellas Laune war trotzdem Top. Interessiert musterte sie Stefan. Sie fühlte sich auf einmal so.. angezogen. Der Junge hatte echt eine anziehende Ausstrahlung. "Und was soll ich in der Zeit dann machen?" fragte Bella auf seinen Vorschlag hin und zog einen Schmollmund. Schließend grinste sie wieder und nahm erneut einen Bissen von ihrem Brötchen.

"Ich hatte gehofft du wärest die hübsche Dame, die mir Gesellschaft leistet." Ich zwinkerte ihr zu und griff mir dann einen Apfel und biss hinein.
Bella war ihm schon jetzt symapthisch. Es machte Spaß mit ihr zu reden.

Lass dir was einfallen, lass dir was einfallen, lass dir was...
"Äh ja, ich hab nur nach jemanden Ausschau gehalten, um zu fragen, wo wir überhaupt hin müssen."
Ja, das klang plausibel. Und nachvollziehbar. Noch einmal ließ ich den Blick durch den Saal schweifen, konnte jedoch auch Kitty nirgends entdecken. Vielleicht war das auch besser so...
Mit einer ziemlich unbewegten Miene wandte ich mich wieder Lyanna zu und legte den Kopf schief. "Wie geht's dir denn?" fragte ich leise und musterte sie einen Moment lang, ehe ich den Blick wieder auf die Tischplatte und meine leere Tasse senkte.

"Achso", murmelte ich und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
Ich fragte mich, ob ich hier jemanden über den Weg laufen würde, der mich kannte. Mal von Dawn abgesehen. Es würde wohl darauf hinauslaufen, auch wenn ich keine Lust hatte, mich mit alten Bekannten zu unterhalten. Ich hatte in Hogwarts zwar nicht viele Kontakte gehabt, doch auf die wenigen hatte ich auch kein Bock. Diese Academy hätte mein Neubeginn werden sollen, meins und Ares, doch stattdessen ließen uns die Schatten der Vergangenheit keine Ruhe. Ich seufzte leise auf und sah kurz zu Dawn, ehe ich wieder auf die Tischplatte blickte. Langsam wuchs sich meine Sorge um Ares zur Angst aus ... ich biss auf meine Lippe, ja ich machte mir immer zu viele Sorgen, doch Ares war für mich nicht nur ein einfacher Bruder, er war meine bessere Hälfte, ein Mensch, ohne dem ich nicht vollständig wäre ...

cf: Sprung

Seufzend fuhr ich mir einmal durch die kurzen Haare und verharrte für einen Moment im Türrahmen. Mein Blick glitt über die anwesenden Schüler und als ich Lyna entdeckte, lockerte sich meine angespannte Haltung und ich ging zielstrebig auf meine Schwester zu. Ich war nicht gerne getrennt von ihr, die Tage in der Anstalt hatten das alles nur noch schlimmer gemacht.
"Morgen, Lyna...", sagte ich leise als ich mich neben ihr niederließ und sie kurz drückte.
Das gehörte für mich einfach zu einem vollständigen Morgen dazu.
Ich lächelte meine Schwester kurz an ehe mein Blick auf ihre Sitznachbarin fiel.
"Dawn?" Überrascht hob ich die Augenbrauen. War sie nicht als tot gemeldet worden?

Ich seufzte leise auf und sah dann zur Seite, als sich jemand neben mich niederließ und mich an sich drückte.
"Guten Morgen", lächelte ich und spürte wie meine Laune sich wieder nach oben arbeitete.
Ares wohlerhaben zu sehen, ließ mich erleichtert durchatmen. Ich hatte mir mal wieder zu viele Sorgen gemacht, doch abstellen konnte ich das einfach nicht ... als Ares Dawn erkannte, musste ich schmunzeln, wie sehr mich das doch an mich selbst erinnerte, nachdem ich Dawn erkannt hatte. Ares wirkte genauso geschockt wie ich es war.
"Wo hast du Taylor gelassen?", fragte ich ihn dann etwas amüsiert.
Ich wusste noch nicht so recht, wie ich zu dem blonden Jungen stehen sollte. Einerseits fand ich ihn nett, doch auf der anderen Seite ziemlich anhänglich und das nervte mich wiederum. Ich war diese soziale Nähe einfach nicht gewöhnt. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schob ich meinem Zwilling eine saubere Tasse und den Kaffee zu.

"Also gesellschaft leiste ich dir ja schon mal." lachte Bella. "Ob der andere Punkt erfüllt ist, musst du selbst beurteilen." meinte sie fröhlich und klopfte die Brötchenkrümmel von ihren Händen. Anschließend griff sie zu einer Kanne Orangensaft und goss sich etwas in ihr Glas. Allerdings ging ein wenig daneben und Bella sah sich hilfesuchend nach einer Serviete um.

Ich lachte. Süß.
Mit gespielt nachdenklichem Blick musterte ich sie, nicht zu lang, als das es aufdringlich wirken könnte.
"Ich finde, der zweite Punkt ist vollkommen erfüllt worden." sagte ich dann mit einem Zwinkern und reichte ihr eine Serviette, als sie etwas Saft danebengoss.
"Tollpatschig oder einfach ein selten vorkommender Unfall?" fragte ich sie belustigt.

"Na dann sind wir ja beide zufrieden." meinte Bella lächelnd und nahm dankbar die Serviette an und wischte den Tisch trocken. Anschließend knüllte sie das Tuch zusammen und ließ es einfach verschwinden. "Naja sagen wir.. die Gravitation wurde nicht für mich erfunden." meinte Bella lachend.

"Womit bist du zufrieden, wenn ich fragen darf?" Ich zog amüsiert eine Augenbraue hoch und sah kurz auf das zerkrümelte Brötchen auf meinem Teller. Ih...Das würde ich definitiv nicht mehr essen. Den Apfel hatte ich mitlerweile auch aufgegessen, weshalb ich mich damit begnügte ein paar Weintrauben von einer Rebe abzuzupfen und sie zu essen.
"Ouh. Verstehe. Also ein wenig tollpatschig. Das ist sympathisch." meinte ich dazu und hielt ihr meine Hand mit den Weintrauben hin.
"Möchtest du?"

"Na mit meiner Gesellschaft." meinte Bella breit lächelnd. "Aber nur so tollpatschig, wie es süß ist. Nicht so, dass es peinlich werden muss." erklärte sie und untermalte ihre Worte mit einer Geste ihres Zeigefingers. "Nein danke." lehnte sie freunlicha ab. "Ich mag keine Weintrauben." fügte sie hinzu und griff stattdessen nach den Erdbeeren.

"Mit deiner eigenen Gesellschaft, also...Interessant." Ich lachte leise und schob mir eine weitere Weintraube zwischen die Zähne.
"Also der perfekte Anteil an Tollpatschigkeit. Praktisch. Keine Weintrauben? Wie geht das?" Ich schüttelte gespielt entsetzt den Kopf.
Ich mochte vielleicht in Moskau geboren sein, aber aufgewachsen bin ich in Verona und wer dort keine Weintrauben oder Oliven aß, war definitiv fehl am Platz.

Ein wenig belustigt beobachtete ich, wie Ares mich langsam zu erkennen schien und brachte sogar ein halbwegs ehrliches Lächeln zustande. "Guten Morgen, Ares." begrüßte ich Lyannas Zwilling.
Es fiel mir zwar immer noch schwer, Menschen zu begegnen, die annahmen, dass ich tot sei, doch dadurch, dass ich es Lya beibringen konnte, fühlte ich mich schon ein wenig sicherer. Noch nicht ganz wohl, aber sicherer.
Ich musste nur verhindern, dass meine Gedanken zurück zu dem Tag wanderten und ich mich dadurch verriet...

"Ja, du gibtst eine ganz passable Gesellschaft ab." meinte Bella und schenkte Stefan ein verstohlenes Lächeln. "Ich weiß nicht. Weintrauben haben mich noch nie angesprochen." meinte sie schulterzuckend und lutschte genüsslich an der Erdbeere. Erdbeeren war einfach ihr Lieblingsobst. Ja, streng genommen waren sie kein Obst, aber wen interessierte das schon? Am Besten noch mit Schokoglasur..

"Passabel? Autsch. Hast du es klirren gehört? Das war der Spiegel meines Selbstbewusstseins, der in tausend Stücke zersprungen ist." Melodramatisch griff ich mir ans Herz, machte diesen Moment aber wieder kaputt in dem ich mir, wieder grinsend, eine Weintraube zwischen die Zähne schob.
"Und dafür liebst du Erdbeeren umso mehr." stellte ich fest.

"Aaaaaaahww" meinte Bella in gespieltem Mitleidston. "Ich bin sicher du hast noch genug Selbstbewusstsein übrig. Leisten könntest du es dir jedenfalls." meinte sie und zwinkerte ihm erneut zu. "Ja, Erdbeeren sind gut. Und sie werden nicht zu ekeligen, schrumpeligen, vertrockneten Rosinen." stellte sie fest und aß die nächste Erdbeere.

"Ich sagte ja auch, bloß der Spiegel meines Selbstbewusstseins wäre zersprungen." grinste ich und hob meinen Trinkbecher, den ich, bevor sie gekommen war, mit Blut gefüllt hatte. Glücklicherweise waren diese Trinkkelche nicht durchsichtig.
"Ich nehme deine Worte, ich könne es mir durchaus leisten einen noch großen Teil an Selbstbewusstsein übrig zu haben, als Kompliment. Vielen Dank." Ich setzte den Kelch an meine Lippen und genoss, wie das Blut meine trockene Kehle benetzte.
Zwar nicht ganz so frisch, wie ich es bevorzugte, aber besser als gar nichts.
"Hmm...Das Problem ist, wenn Erdbeeren schrumpeln, kann man sie nicht mehr essen." entgegnete ich belustigt und schnappte mir nun ebenfalls eine Erdbeere. "Auf das Obst, dass eigentlich zur Gattung der Nüsse gehört." sagte ich und biss in die süße Erdbeere. Jetzt, im Sommer, schmeckten sie noch am besten.

Ria schaute die beiden an, dann folgte sie Annas Blick zu dem Jungen, den sie nicht kannte.
"Entschuldige mich Süße, ich brauche mal frische Luft", murmelte sie und gab ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange, ehe sie davon ging.
"Wir sehen uns!", meinte sie noch und war dann auch schon weg.

tbc: Westturm