Park in Nottingham ~Jelena und Lyanna~

"Stimmt auch wieder", pflichtete ich ihr bei, eigentlich war die Frage wieder aus reiner Höflichkeit über meine Lippen gekommen. Ich ging zu dem Ausgang, stieg über den Geröllhaufen und atmete tief die frische Luft ein, die wunderbar nach Regen roch.

Ich grinste und folgte ihr. Die Luft war schwer, duftete jedoch nach frischem Regen, was die Schwere schon wieder schön machte.
Wie ich Wetterumschwünge doch liebte. Das es vor kurzem noch schwül und heiß gewesen war, davon merkte man nun gar nichts. Es war angenehm kühl...

Jel schien die kühle Luft ebenso zu genießen wie ich auch. Das verriet mir ein Blick auf die brünette Schönheit neben mir und ich lächelte leicht, bevor ich in einen leichten Trab verfiel und loslief. Ich liebe es zu joggen und Sport allgemein. Es war angenehm ...
"Und was machst du sonst noch so in den Ferien?", fragte ich Jel, die neben mir lief.

Ich folgte Lyanna, die schonlosgelaufen war und hatte sie im Nu eingeholt.
"Sonst so? Ach....So das Übliche. Ein wenig Tanzen, Reiten, obwohl... mein eigenes Pferd kann mich anscheinend nicht leiden......Lesen. Mit meinem Bruder streiten. Irgendwie versuchen die Zeit totzuschlagen. Was man halt so als Unsterbliche nun mal macht." seufzte ich und sah zu Lyanna.
"Und du so??" gab ich die Frage zurück.

"Singen, Tanzen, Ares auf die Nerven gehen, Atmen", zählte ich auf. Überleben, fügte ich gedanklich hinzu und lief um eine Biegung um einen prunkvollen Brunnen herum und einen etwas abgelegenen Weg entlang. Wie erwartet fiel Jel nie zurück. Wie denn auch? Sie war übernatürlich, vermutlich lief sie sogar mir zuliebe langsamer.
"Dein Pferd kann dich nicht leiden? Wieso?", fragte ich sie neugierig. Reiten ..., wie sehr ich es doch vermisse, aber an der neuen Schule sollte es ja Sportunterricht geben, vielleicht stand sogar Reiten auf dem Programm. Ob Jel was darüber wusste? Oder ging sie nach Hogwarts? Aber fragen konnte ich sie nicht, offiziell dürfte ich ja nichts wissen, ich war in ihren Augen ja nur eine einfache Muggel.

"Was tanzt du?" Ich wusste, dass es bei Muggel auch diese ganzen andere, viel cooleren Tänze gab, als die Gesellschaftstänze, die ich so lernte.
Hip Hop, Formation und so etwas...
Ich folgte ihr einfach, ließ sie den Weg angeben. Ich wusste nicht, wie lange sie gleichzeitig reden und laufen konnte.
"Weiß nicht. Pferde sind die einzigen Tiere, die mich irgendwie nicht leiden können." meinte ich und lachte.

"Ach, vieles verschiedenes, klassischen Gesellschafttanz, HipHop, Tango", zählte ich ein paar Tänze auf, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet hatte. Während ich redete, lief ich weiter, ich besaß durch den jahrelangen Sport eine gute Koordination. Sport, das war etwas, das Jonathan und Marie uns nicht nehnen konnten, auch wenn sie unsere Magie blockierten, selbst wenn sie uns die Beine brächen, würden sie es uns nicht nehmen können. Man konnte Sport auch ohne Beine ausüben, auch wenn dieser dann einschränkender wäre, doch zum Glück waren unsere Verwandten schlau oder dumm genug, nicht auf diese Idee zu kommen, immerhin würde es ja auffallen, wenn ihre Neffe und Nichte plötzlich nicht mehr laufen könnten ...
"Ich habe lange nicht mehr gerieten", seufzte ich. Fast drei Jahre ... aber das Gefühl auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, hatte ich nie vergessen, ich ritt seit ich zwei war, Fabienné hatte mir auch oft eine Gelegenheit zum Reiten verschafft, doch sie war tot.

"Die Gesellschaftstänze sind so langweilig. Ich weiß nicht, wie man die mögen kann. Ich meine...Wiener Walzer und so etwas. Echt öde." Und trotzdem hatte ich Woche für Woche meine regelmäßige Tanzstunde in der ich mit meinem Bruder eben diese langweiligen Tänze beherrschen musste.
"Hm. Warum? Kein Pferd? Keine Zeit? Keine Lust?" fragte ich sie weiter aus und lächelte. Es war besser und sicherer, wenn ich sie ausfragte, als dass ich einem Muggel viel zu viel über die magische Welt erzählte..

"Meine ..."; ich biss mir auf die Lippen. "Meine Verwandten mögen keine Pferde", gab ich dann leise zu und seufzte. Das war nicht einmal gelogen, nur den weiteren Grund, wieso es mir verboten war, ließ ich aus.
"Gesellschafttanz mag ich auch nicht so, aber naja", ich zuckte die Schultern und blieb dann stehen.

"Das ist kein Grund! Du musst mal zu mir nachhause kommen. Dann kannst du wieder reiten. Wenn Ginger mich mal wieder auf ihren Rücken lässt, können wir sogar zusammen ausreiten." schlug ich vor. Ich mochte Lyanna irgendwie. Sie war echt nett.
"Aber trotzdem tanzst du es dann? Warum?"

"Zu dir nach Hause?", ich war total verdutzt und sah sie auch so an. So schnell hatte mich noch keiner zu sich nach Hause eingeladen oder überhaupt. In Hogwarts hatten mich die meisten irgendwann gemieden. Wir waren eben die schweigsamen Claflin-Geschwister, die immer diesen einschüchternden Blick, der oft als Todesblick intepretiert wurde, zur Schau trugen.
"Naja, meine Mutter", meine Stimme wurde kurz traurig und schwer, der Tod meiner Eltern lag nun sieben Jahre zurück, doch wenn man dachte, ich hätte ihn überwinden, so irrte man. Ich hatte auch nie wirklich eine Gelegenheit gehabt, ihn zu verarbeiten und damit abzuschließen. Nein. Ich sehnte mich immer nach ihnen, jeden Tag, jede Nacht. "liebte Gesellschafttänze, es lag ihr einfach", gab ich dann zu und sah starr nach vorne.

"Nein. Du hast das falsch verstanden. Zudem Loch unter der Brücke. Natürlich zu mir nach hause!" sagte ich lachend und strich mir eine Locke aus dem Gesicht.
Ich fragte mich, warum das Mädchen so verdutzt wirkte. War doch vollkommen normal jemanden nachhause einzuladen....Oder irrte ich mich?
"Ouuh...Deine Mutter..." ich senkte den Blick und biss mir verlegen auf die Lippe.
"Das tut mir Leid..." meinte ich leise.

Ich hörte ihre Worte kaum, zu sehr war ich in dem Netz aus Erinnerungen verstrikt, gute wie auch schlechte. Es verging eine Weile, in der ich wie eine Statue mitten auf dem Weg stand. Erst, als der uns entgegen kommende bullige Mann mich aus dem Weg und direkt zu Jel schubste, schreckte ich auf.

Ich legte den Kopf leicht schief und ließ Lyanna in Gedanken versinken. Jemanden in solchen Momenten zu unterbrechen, kam mir sehr unhöflich vor.
Ich schrak auf, als ein Mann plötzlich Lyanna schubste und fing sie erst mal auf.
"Hey!" rief ich dem massigem Kerl zu.
"Können Sie sich wenigstens entschuldigen??"

"Was steht ihr hübsche Dinger auch im Weg rum", kam es von dem massigen Mann zurück, mit einem anzüglichen Unterton in der Stimme. Ich schreckte auf und löste mich von Jel. Berührungen waren mir nach wie vor unangenehm und die Blicke des Mannes, die über uns glitten, als wären wir Huren, jagten mir einen kalten Angstschauer über den Rücken. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
"Lass uns hier verschwinden", hauchte ich fast schon tonlos. Mir genügte ein Mann, der mir gegen meinen Willen nahe kam.

Ich schnaubte und stellte mich leicht vor Lyanna. Mir konnte er nichts anhaben.
"Sie sollten aufhören, so zu reden! Das könnte ungesund sein." meinte ich ein wenig aufgebracht. Solche Menschen machten mich wütend. Ich schob meine Augenbrauen zusammen und wütend sah ich zu dem Mann.
Die Worte Lyannas ignorierte ich. Ich konnte doch nicht zulassen, dass so eine schreckliche Person hier herumlief und ihr Unwesen trieb. Wer wusste schon, wen er als nächstes dumm anmachen würde und wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass das nächste Mädchen auch ein magisches Wesen kannte?

Der Mann beobachtete amüsiert, wie sich Jel vor mich schob und ich machte mich unwillkürlich kleiner als ich war.
"Na, da hat ja jemand eine große Klappe, du gefällst mir, Kleine", er kam schwerfällig auf uns zu und hob die Hand, strich meiner Bekannten über die Wange.

Angewidert wehrte ich mit einer schnellen Handbewegung seine Berührung ab. Ekelhaft.
Lyanna machte sich etwas klein hinter mir, was mich innerlich ein wenig grinsen ließ. Sie war echt süß.
"Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn sie Ihre Griffel von mir weglassen könnten. Zu dem wünschte ich mir, dass sie aufhören jungen Mädchen und Frauen auf diese erbärmliche Art nachzustellen." meinte ich stolz und reckte ein wenig mein Kinn in die Höhe.
Oh Man...Dad würde mich so was von umbringen, wenn er davon erführe.

"Sonst was?", ohne mit der Wimper zu zucken, sah der Mann Jel an, dass sie seine Hand weggeschlagen hatte, schien ihn nicht zu stören. Mit jeder Sekunde, die ich in der Gegenwart diesen Fremdes zubringen musste, wurde ich unruhiger. Ich wollte zurück treten, doch meine Beine zitterten und ich packte meine Bekannte beim Arm.
"Lass uns gehen", hauchte ich kaum hörbar.
Ich wusste, ich musste auf die Vampirin wie ein Angsthase wirken, doch für mich kam diese Situation ganz nah an meinen täglichen Alptraum heran und ich wollte einfach nur noch weg hier.

"Sonst, so meine ich, wird dies nicht gerade gut für Sie ausgehen." Es war selten, dass ich mich auf eine Streiterei einließ, doch dieser Mann ekelte mich wahrhaftig an.
Er war schrecklich, grausam und stank bis zum Himmel und nur Gott allein wusste, was dem nächsten Mädchen passieren würde, wenn er mit ihr zusammenstieß.
Lyanna packte mich an meinen Arm und ich drehte mich zu ihr um. Mein wutentbrannter Gesichtsausdruck wurde sofort besorgt.
Sie zitterte, was mir erst spät bewusst wurde und ein wenig mich schuldig fühlend, biss ich mir auf die Unterlippe.
"Geh du schon mal zu der Parkbank dahinten. Ich möchte diesem Herrn nur noch einmal zeigen, dass seine Taten mehr als nur falsch sind."
Ich zwinkerte ihr lächelnd zu.

Noch immer zitternd nickte ich auf Jels Worte und trat dann einen weiteren Schritt zurück. Wie ich es bis zur Bank schaffte, wusste ich nicht, so sehr zitterten meine Beine, die Blicke des Mannes folgten mir.
"Ich habe keine Angst vor dir Mädchen", knurrte er und ließ seinen Blick gleiten.

"Vielleicht sollten sie Mädchen nicht unterschätzen, Sir." sagte ich und mimte eine wichtigtuerische Miene.
Ich hasste diesen Kerl, doch war ich erleichtert, als ich hörte, wie Lyanna erfolgreich bei der Bank ankam und sich setzte.
"Also. Wie wäre es, wenn sie aufhören, Mädchen so anzumachen?"

Der Mann schnaubte, doch bevor er einen weiteren Kommentar vom Stapel lassen konnte, erklang das Klingeln eines Handys und er ging ran. Seine Miene wurde verdrießlich, ehe er wütend auflegte und ohne ein Wort kehr machte und davon ging.

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Ich sah wieder Kerl ein Handy heraus holte und irgendetwas zischte, verstehen tat ich es nicht, dazu saß ich zu weit weg, doch als er ging, atmete ich erleichtert aus und merkte erst jetzt, dass ich wohl die letzten Minuten die Luft angehalten hatte.

Ich zog erst meine Augenbrauen hoch, als ich das Handyklingen hörte und drehte mich dann um und lief zu der Bank, wo Lyanna saß.
Ich ließ mich neben die Brünette fallen und atmete erleichtert aus.
"Das war knapp." seufzte ich und sackte leicht zusammen.
Das hätte echt böse enden können.

Als Jel zu mir kam und sich neben mich auf die Bank fallen ließ, schenkte ich ihr ein dankbares Lächeln.
"Danke für die Rettung", ich wusste nicht, was ich ohne meine Vampirbekannte gemacht hätte. Vermutlich hätte der Kerl in mir sein nächstes Opfer eingefordert und ganz ehrlich - ein Mann, der sich dauernd an mir vergriff, genügte mir. Mein Gesichtsausdruck verdüsterte sich bei den Gedanken an Jonathan. Vielleicht sollte ich Jels Angebot annehmen, auch wenn ich sie kaum kannte? Doch es war überall besser als bei meinen Verwandten und es war zumindest eine Möglichkeit Jonathan zu entfliehen.
Und was ist mit Ares?, fragte mich eine hämische Stimme und ich schloss den Mund wieder, den ich soeben geöffnet hatte, um das Gespräch auf den Vorschlag zu lenken. Meinen Bruder konnte ich doch nicht im Stich lassen, das wäre einfach nur egoistisch und Ares sollte nicht noch mehr Leid erfahren, an dem ich womöglich auch noch Schuld war. Nein ... zusammen waren wir stark, wir hatten bisher alle Sommerferien überlebt, wir würden auch dieses Mal als Sieger aus der Schlacht gehen ... wir gehörten einfach zusammen, Ares war meine andere, bessere Hälfte, mein Halt und ich der seine ...