Der Königssaal

Ich legte den Kopf schief, als ich bemerkte, dass der Junge anscheinend ziemlich außer Atem war.
Er musste sich wohl wirklich beeilt haben, um pünktlich hier zu erscheinen.
Ich glaube, er hat einfach nur eine miese Kondition. - Meinst du? Er sieht aus, wie ein Sportler. - Und riecht wie ein Schlot...Kriegst du das nicht mit? - ...Nicht..wirklich. - Ehrlich... Du bist echt schrecklich.
Ich drehte eine Haarsträhne zwischen meinen Fingern und überlegte. Reden konnte ich immer noch nicht, als mir etwas einfiel.
Ich trug immer eine kleine, leider schwarze Umhängetasche mit mir und nun kramte ich in ihr rum, auf der Suche nach...Bingo!
Ich fand ein kleines Stück Papier und einen Bleistiftstummel. Immerhin etwas.
Wir sollten mal die Tasche leeren. Hier ist nur Müll drin. - Das ist kein Müll! - Naja...aber diese Halskette aus Plastik? - Hat einen ideellen Wert! - Stimmt. Ich vergaß. Das Mädchen, was du so nett fandest und... - Die du umgebracht hast. Richtig. Sie hätte eine Freundin werden können. - Blöd gelaufen.
Ich würde jedenfalls die Tasche niemals leeren...Da waren viele Sachen drin, die ich brauchte oder zumindest behalten wollte.
Mein inneres Gespräch mit ihr drängte ich wieder in den Hintergrund und schrieb etwas auf das Stück Papier, dass ich dem Jungen zuschob. Allmählich konnten sie dieses Silencio aufheben. Mich nervte es, nicht reden zu können.
Schade, dass ich dich nicht stummschalten kann. Es wäre so schön ruhig gewesen.
Auf dem Zettel, dass ich ihm zuschob, standen, wenn auch ziemlich klein, die Worte:

Na? Außer Atem?
Wie heißt du eigentlich?

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

Ich sah meinem Bruder nur zu deutlich an, dass es ihm nach einer Erklärung durstete, wie denn auch nicht, bei meiner Bitte? Ich seufzte, aber kein Ton kam über meine Lippen, der Silencio erstickte jedes Geräusch und ich war froh darum. Der Lärmpegel der letzten Minuten war einfach nur unerträglich gewesen. So lehnte ich mich leicht gegen Ares und hörte dem Schulleiter zu, der eine äußerst eindrucksvolle und düstere Persönlichkeit war. Vor ihm hatte ich sofort Respekt. Doch langsam könnte er mal ein Ende finden, ich hatte Hunger und wollte noch eine rauchen, bevor wir in unsere Räume gehen konnten. Wie diese wohl hier gestaltet waren?

Joshi lächelte, als sie ihm einen Zettel zuschob. Sowas banales. Dass er darauf nicht gekommen war..
Er nahm den Bleistift und schrieb Ich bin Joshi. Und du? Freut mich echt, dich kennenzulernen und danke, dass ich hier sitzen darf. Höflichkeit musste ja sein. Außerdem war sie recht hübsch und man wusste ja nie, was sich vielleicht noch ergab.

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

Der Direktor hielt seine Rede, ich hörte ihn, doch seine Worte konnte ich nicht wirklich realisieren, sie entglitten mir wie klares Wasser, wenn ich sie zu fassen versuchte. In meinem Kopf, in meinem Inneren herrschte ein orkanartiges Chaos und ich sah stur auf die verkohlte Tischplatte.

Ich grinste schief und schrieb zurück.

Елизавета. Aber du kannst mich ruhig Lisa nennen, oderJelisa.
Warum solltest du hier nicht sitzen dürfen??
Rein Spaßeshalber hatte ich meinen russischen Namen mit den kyrillischen Buchstaben hingeschrieben und zwinkernd reichte ich ihm wieder den Bleistift.
Schon wieder. Dieses Jelisa...oder Lisa... Wie schrecklich!! - Du hast nunmal keinen Sinn für Namen. - Wenn ich nicht so kaputt wäre!! - Jajaaa....Dann würdest du jetzt am Steuer sitzen und es würde aaaalles anders laufen.

Ich grinste Joshi an und ließ meinen Blickkurz durch die Halle schweifen.

Ich saß neben den geschockten Nero und machte mir langsam doch ernsthafte Sorgen um den Lichtgeist. Er war unnatürlich blass und mein feines Gehör nahm seinen rasenden Herzschlag wahr. Was um Gottes Willen hatte ihn bloß so verstört? Ich sah mich erneut in der Halle um, erblickte viele lang gezogene Gesichter, als El ohne mit der Wimper zu zucken, die Regeln knallhart wie einen Peitschenhieb auf die Schüler losließ, besonders für die Hogwartsschüler schien die Rede wie das Auskippen von Eiswasser über den Kopf. Endlich schienen die meisten zu begreifen, das hier ganz andere Musik spielte als in ihrem versnobten England.

Etwas verdutzt starrte Joshi auf die ihm fremden Schriftzeichen. Jelisaweta. Oder noch besser, Lisa. Das würde er sich merken können. Er war froh, dass sie es nochmal in Buchstaben darunter geschrieben hatte, die ihm bekannt waren.
Er lies seinen Blick kurz zu den Raum schweifen. Die Augen der Schüler und Lehrer schienen nicht mehr an ihm zu kleben. Welch eine Erleichterung.

Ich verkniff mir ein Kichern, als ich Joshis verdutzten Gesichtsausdruck sah.
Wenn man kein russisch lesen konnte....
Jaja...Lach-Lach. Kicher-Kicher. Wirklich seeeehr witzig.
Ich verdrehte innerlich meine Augen. Sie schien wirklich genervt zu sein.
Ich nahm nochmal kurz den Bleistift.

Suchst du jemanden?
Bist du eigentlich neu hier?
Aus Hogwarts?? Oder gehörst du zum Kreis der Alteingesessenen?

schrieb ich.

Ich schenkte Nyla ein weiteres, verzehrtes Lächeln und senkte den Blick wieder auf den Tisch. Meine Finger krallten sich immer noch in die Tischplatte und ich löste sie ganz langsam. Joshi schien von der Blonden neben sich abgelenkt zu sein, was doch schön war für ihn... mich machte das aber rasend vor Wut. Natürlich war ich froh, dass Joshi nicht mehr zu trauern schien, aber... es tat mir trotzdem weh, ihn mit einem anderen Mädchen zu sehen. Schließlich hegte ich immer noch Gefühle für ihn, es war nicht ganz so einfach, Gefühle wieder abzuschalten.
Ich spürte Kittys fragenden Blick wohl etwas zu spät auf mir. Zum Glück war das Silencio noch nicht aufgehoben worden, wie sollte ich ihr bitte mein Verhalten erklären? Statt jedoch weiter darüber nachzudenken, dass Joshi nicht weit entfernt von mir saß und sein typisches Verhalten hübschen Mädchen gegenüber ausübte, schenkte ich Kitty ein strahlendes Lächeln, als wäre absolut nichts geschehen.

Ich war verwirrt. Mehr als verwirrt. Annas Verhalten war merkwürdig und ich roch schon förmlich, dass da was nicht stimmte. Das konnte ja noch lustig werden... ein breites Grinsen huschte über meine Gesichtszüge und mein Blick glitt wieder zu unserem Schulleiter.
Ich würde das auf jeden Fall im Auge behalten.

Ich wollte weg hier, die Halle erschien plötzlich wie ein enger Käfig, die Schüler wie angreifende Löwen, die sich bei der erstbesten Gelegenheit auf mich stürzen würden. Das Blut pochte in meinen Ohren und mir war schwindlig. Mein Blick glitt zur Tür, doch ich konnte mich nicht bewegen, war wie vereist. Jeder Blick zum Lehrertisch wurde strikt gemieden.

"Dann noch eine Botschaft an Gossip Girl! Ich freue mich auf dieses Jahr." frech zwinkter ich den Schülern zu und löste den Stillezauber endlich.
"Guten Appettit." mit einem simplen Schnipsen erschien das Essen. Unter anderem Kannen mit frischem Blut für unsere Dämonen und Vampire und was wir sonst noch so an Blutsaugern hatten.
Ich selbst zählte ja dazu.
Ich sah auf die Menge und lächelte leicht.
Ja... Gossip Girl...
Das würde lustig werden.

Endlich! Erleichtert atmete ich aus, als sich die Platten, Teller, Kannen, Schüsseln und so weiter und so fort mit Essen und Getränken füllten. Ein verführerischer Duft schwängerte die Luft und mir lief das Wasser im Mund zusammen. So einen Hunger hatte ich ewig nicht mehr verspürt. Ich nahm mit einer Gabel einen Hühnerschnitzel, schnitt diesen klein, dazu nahm ich noch einen leckeren Nudelsalat und goß mir eine Tasse Pfefferminz-Tee ein. Wer wohl diese geheimnisvolle Gossip Girl war? Naja, ich würde es wohl noch früh genug erfahren.
"Guten Appetit", wünschte ich Ares und den anderen und begann zu essen.

Dass der Schulleiter mit seiner Rede fertig war, merkte ich an dem plötzlich in die Höhe schießenden Lärmpegel. Sofort stürzten sich die Schüler auf das Essen, doch mein Appetit hatte sich davon geschlichen wie ein reuiger Dieb. Leer sah ich die gefüllten Teller an und wusste nicht so recht, was ich tun sollte. Lachen? Schreien? Weinen? Alles zusammen?

Ich grinste, als der Schulleiter seine Rede beendete...Gossip Girl.
Das klang echt interessant. Meine Augen begannen förmlich zu glühen, als ich dann das Essen sah.
"Ouuh...."meinte ich dazu und nickte. "Danke. Euch auch." sagte ich und nahm mir etwas Salat und dazu Steak auf meinen Teller.
Als ich sah, dass es auch Blut gab, wurden meine Augen groß. Das war ja ein Service hier. Woher die das bloß nahmen? Ich beschloss, meinen Vater später mal zu fragen und nahm mir eine der Kannen und ohne hinzusehen, schenkte ich mir Blut in einen, zum Glück undurchsichtigen Kelch ein.
Dann stellte ich diese wieder weg und nahm einen Schluck.
Lecker...
Dann begann ich zu essen. Manche Hogwartsschüler schienen entsetzt zu sein, als sie das Blut bemerkten und ich musste an mich halten, um nicht loszulachen.

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

El beendete seine Rede mit einem Augenzwinkern in Richtung der berühmten und gefürchteten Gossip Girl - auch wenn ich nach wie vor nicht wusste, wer sie war. Das wurmte mich an, ich hasste es, im Dunkeln zu tappen. Als der Silencio wieder gebrochen war, schwoll der Lärm in der Halle ballonartig an und explodierte schließlich zu einem Schwall an Gesprächen. Mein Blick glitt durch die Halle, während ich mir Lasange nahm. Am Tisch der Füchse saß eine ziemlich blasse Schülerin, deren Herz wohl beschlossen hatte, einen Marathonlauf zu veranstalten. Sie könnte Nero wirklich Konkurrenz machen und erneut fragte ich mich, was Nero so verstört hatte.

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

Ich schob mir noch eine Gabel Nudelsalat in den Mund und beobachtete amüsiert wie Jelenas Augen beim Anblick des Blutes größer wurden, ehe sie sich eine Kanne schnappte und den Inhalt in einen undurchsichtigen Kelch goss. Stimmt, da war ja noch was ... sie hatte mir ja erzählt, dass sie beim Anblick des Blutes in Ohnmacht kippte. Ich grinste und nahm einen Schluck Tee, das Grinsen wurde nur noch größer, als mir die entsetzten Blicke der Hogwartsschüler auffielen. Tja, was hatten die denn erwartet? Es war immerhin eine Schule, in der sich die Vampire und Nachtschatten bis unters Dach stapelten.

"AAHHH ESSEN!", rief Kitty enthusiastisch aus und hatte Dawns merkwürdiges Verhalten schon längst vergessen, denn bei dem Anblick der ganzen Speisen und Getränke hatte sich ihr Magen gemeldet und die Sechzehnjährige langte sofort zu. Wahrscheinlich musste es seltsam aussehen, dass soviel Essen in so ein "kleines" Mädchen wie Kitty passte, aber das störte sie kaum. Ihr Blick ruhte auf den immer noch geschockt aussehenden Hogwartsschülern und sie verkniff sich ein Grinsen.
"Hier Dawnie...kleine Erfrischung."
Sie schob einen der Blutkannen zu Dawn rüber und grinste sie an.

Meine Augen ruhten auf dem Mädchen, einen Arm um Lyna geschlungen wartete ich so, dass Ende der Rede ab. Eindrucksvoll irgendwie. Bedrohlich aber es hatte was.
Als der Schulleiter gegen Ende ein Gossip Girl erwähnte hob ich den Kopf und sah zum Lehrertisch auf. Was zum Geier meinte er denn damit? Ich biss mir auf die Unterlippe und wandte den Blick wieder ab. Würde ich hoffentlich noch erfahren, ich war nicht gerne uninformiert. Als das Essen auf den Tischen erschien seufzte ich lautlos auf. Ich hatte - wie ich jetzt bemerkte - enormen Hunger.
Ich lud mir von den nächsten Schüsseln etwas auf meinen Teller, nachdem ich ebenfalls einen Guten Appetit gewünscht hatte, beäugte dabei Lynas Freundin, die sich mit Blut in einen Kelch füllte. Jedoch ohne dabei hinzusehen.
Vampir also...Vampirin, die kein Blut sehen konnte. Ich grinste ein wenig und wandte mich meinen Essen zu.

Den Blick auf den Tisch gerichtet musste ich sogar ein wenig grinsen als El seine Rede beendete. Mit einem Gruß an Gossip Girl. Das würde wieder ein interessantes Jahr werden.
Als ich bemerkte, dass der Silencio von uns gehoben war sah ich auf und tat so als wäre nichts geschehen während die Tische vor uns sich mit Gerichten und Getränken füllten.
Mir war jedoch der Appetit vergangen. Gründlich. Trotzdem tat ich mir ein wenig Salat auf den Teller, um Kens Blicke, die sowieso schon misstrauisch genug waren, nicht noch weiter auf mich zu ziehen. Still begann ich zu essen während meine Gedanken rasten und ich mich auf astreinem Französisch innerlich verfluchte.

Ich kicherte leicht, als mich irgendeins der jüngeren Hogwarts-Mädchen anstarrte und wandte mich dann wieder Lyanna und Ares zu.
Beide grinsten ein wenig, als sie bemerkten, dass ich tunlichst ignorierte, wie mein Getränk aussah und ich verdrehte die Augen. Das war echt peinlich.
"Menno..." murmelte ich leise grinsend und schob mir ein Stück Fleisch in den Mund.

Ich sah mich kurz in der Halle um, als das Silencio aufgehoben wurde und sich wieder breites Geschnatter in der Halle breit machte. Kurz fragte ich mich, wer wohl diese Gossip Girl war und vor allem...was sie für eine Rolle an dieser Schule spielte.Das Essen erschien und als erstes nahm ich mir einen Krug voller Blut. Es wunderte mich, dass hier das Blut einfach so auf den Tischen stand. In Hogwarts hatte ich mir anders verhelfen müssen,doch so war es viel praktischer.
Kurz blickte ich wieder zu Nyla und lächelte kurz.

Erst als der Lärmpegel in der Halle wieder anstieg, löste ich mich allmählich aus meiner Starre.
Ich schenkte Kitty neben mir ein friedliches Lächeln und griff dankend nach der Kanne Blut, obwohl ich nicht gerade hungrig war. Das aufgebrachte Flüstern mancher Mädchen ignorierte ich und schenkte mir ein Glas voll ein.
Ich musste mir auf jeden Fall eine Lösung einfallen lassen. Denn Joshi begegnen wollte ich auf keinen Fall.

"Wer ist Gossip Girl?" fragte Joshi, der der Rede nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, alle in der Nähe sitzenden. Er dachte kurz darüber nach doch es fiel ihm nichts ein, was damit gemeint sein konnte. Schließlich widme er sich dem erschienenen Essen. Eigentlich hatte er keinen großen Hunger. Er würde wohl später essen. Gegen Getränke hingegen sprach nichts. Fröhlich griff er zu einer Kanne, deren Inhalt er für Kirschsaft hielt. Doch irgendwie roch das so gar nicht fruchtig. Als ihm schwarnte, was er sich da fast eingegossen hatte, stellte er die Kanne nervös lächelnd wieder zurück. Luft war gut. Luft war lecker. Bei Luft wusste man, was man zu sich nahm. Klang doch recht einladend.

"Ich habe nicht den blassesten Schimmer." grinste ich und zuckte mit den Schultern. Das Essen erschien und mit offenen Mund ließ ich meinen Blick schweifen.Oh...Das sah so lecker aus, ich hätte echt heulen können in diesem Moment.
Bitte. Lass es bleiben. - Das sollte nur eine Metapher für meine unausdrückliche Begeisterung für die hiesige Schulspeisung sein. - Wow...Alsob ich nicht so schon einen Ruf zu verlieren hätte. Jetzt kommst du auch noch mit so etwas an.
ich zuckte mit den Schultern und griff mir eben jene Kanne, die Joshi weggestellt hatte.
Nur einen halben Becher goss ich mir ein. Blut mochte ich nicht besonders, aber es stärkte.
Ich sah zu Joshi, der nervös lächelte und kicherte.
"In Hogwarts gibt es kein Blut, stimmts?" fragte ich.
Was für eine Frage. Du warst schon einmal in Hogwarts. - Vor dreißig Jahren. - Und?