Der Königssaal

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

Ich bemerkte nur zu deutlich, wie peinlich Jel ihre kleine Schwäche war und spürte wie mein Grinsen breiter wurde. Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder meinem Essen zu und fragte mich erneut, wer wohl diese Gossip Girl war. Ich schob mir noch einen Löffel Salat in den Mund und ließ meinen Blick dann über die Lehrer gleiten, die allesamt an der oberen Tafel saßen, wobei mir auffiel, dass zwei Stühle erhöht standen. Der eine Mann war der Direktor, das war mir klar, welche Position wohl der andere Lehrer inne hatte? Neben ihm saß ein ziemlich blasser Lehrer und ich musterte ihn kurz, bevor ich die Schulter zuckte und mich wieder meinem Essen widmete.

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

Ich griff nach einer der Kannen mit dem Blut und goss mir etwas von dem roten Lebenssaft ein, dabei bemerkte ich wie sehr meine Hand zitterte und verfluchte mich innerlich auf italienisch. Ich hoffte, dass dieser Horrorabend irgendwann sein Ende finden würde, Hunger hatte ich plötzlich keinen mehr, dennoch nahm ich mir ein paar Kartoffeln und zermatschte sie mehr mit meiner Gabel als dass ich sie aß.

Als der Geruch des frischen Blutes mir in die Nase stieg seufzte ich leise auf. Ja, ich hatte eine gute Selbstbeherrschung, aber ich war nicht Gott.
Ich nahm mir eine Kanne Blut und goss mir etwas davon ein bevor ich einen tiefen Schluck nahm.
Das tat gut...
Immer noch huschte mein Blick immer wieder zu Dawn.
Sollte ich zu ihr?
Aber konnte ich Stefan so einfach sitzen lassen?
Nein... oder?

Ich beobachtete Nero aus dem Augenwinkel, als sich dieser fast schon mechanisch etwas Salat auf den Teller lud und nahm mir dann eine der Kannen mit dem Blut. Im Gegenteil zur meiner Tochter hatte ich keinerlei Probleme damit, das Blut auch anzusehen, während ich trank. Es war schon ein amüsanter Anblick gewesen, als Jelena das erste Mal in Ohnmacht gekippt war, als sie Blut gesehen hatte. Schmunzelnd nahm ich mir einen Teller Tomatensuppe und begann zu essen.

"Du kannst zu ihr gehen, wenn du magst. Wahrscheinlich braucht sie dich gerade." sagte ich ruhig und mit der Andeutung eines Lächelns auf meinen Lippen zu ihr.
Ihre ständigen Blicke zu Dawn hatte ich mitbekommen und nun sah ich Nyla fast schon auffordernd an. Sie wollte Dawn helfen und da anscheinend deren Ex bei einer anderen saß, war es vielleicht ganz gut, wenn Nyla zu ihr gehen würde. Ich wollte sie nicht loswerden, bestimmt nicht.
Erst jetzt bemerkte ich, dass Nyla nach der Kanne mit dem Blut griff. Stirnrunzelnd sah ich zu ihr.

Joshi sah etwas angewidert zu, wie Lisa sich einen halben Becher Blut eingoss. Wie konnte man das Zeug nur trinken? Es schmeckte doch nur nach Metall.. Naja, Freaks eben.
"Naja in Hogwarts ist das Blut für gewöhnlich.. in den Menschen und nicht auf dem Tisch." lachte er etwas nervös und versuchte, den Gedanken daran zu verdrängen. Hier würde er sich wohl definitiv umgewöhnen müssen.

"Danke." lächelte ich und hauchte ihm kurz einen Kuss auf die Wange bevor ich schnell aufstand und mit meinem Kelch zu Dawn lief.
"Hey, tief durchatmen, trink einen Schluck!" murmelte ich leise und strich ihr kurz über die Haare.
"Nicht aufregen wir bekommen das hin ok?"
Ich lächelte sie aufmunternd an, versuchte ihr etwas Mut zu geben.
Hier zeigte sich wiedereinmal das ich eben doch nicht alles sah.
Sonst hätte ich sie nie hier her geschickt.
Ich wollte das es ihr besser ging und nicht das alte Wunden aufrissen.

"Ouh... Verdammt. Sorry. Ich... Daran hab ich gar nicht gedacht." meinte ich verdattert und wurde vor Verlegenheit rot.
Stimmt. Joshi war ein Mensch. Das ging in diesem Chaos von magischen Wesen ziemlich leicht unter.
Trottel. - Ich..Also... Das war doof. - Ja. - Und das sagst du mir eiskalt ins Gesicht?? - Nun. Ich kann es ja schwer hinter deinem Rücken erzählen, meinst du nicht auch? - Seeehr lustig.
Ich leckte mir über die Lippen und nahm mir dann eine Weintraube.
"Entschuldige. Aber...Ich töte keine Menschen oder so. Denk nichts falsches von mir. Ich tue Menschen auch nicht weh, um Blut zu trinken."
Genau. Das übernehme ich immer. - Hab ich ihn gerade angelogen? - Nein. DU tötest ja genau genommen nicht. Sondern ich. - Du magst es. Das Gefühl als Mörderin dazustehen. - It's a murder on the Dancefloor... - Hör auf zu singen!
Ich seufzte auf und ließ meine Schultern hängen.

Ich sah auf, als ich Nylas Stimme hörte und tat, was sie mir riet, da ich ihr vertraute.
"Er ist hier." sagte ich überflüssigerweise, als ich den Kelch wieder abgesetzt hatte. "Ich weiß nicht, ob ich das schaffe." fügte ich noch leiser hinzu. Meine Hände klammerten sich an den Kelch wie an einen Rettungsring und ich trank einen weiteren Schluck von dem Blut.

"Shhh ich weiß das er hier ist. Beruhige dich! Es bringt nichts wenn du jetzt panisch wirst, das lässt dich nur die Kontrolle verlieren und das wollen wir nicht stimmts?!" ich legte meine Hand auf ihren Arm.
"Natürlich schaffst du das. Du bist Dawn, meine Schülerin, meine Freundin. Also..." mein Blick lag auf Joshua.
Er hatte sich nicht verändert seit dem ich ihn das letzte mal gesehen hatte.
Na gut, seit dem ich ihn das letzte mal im realen Leben gesehen hatte.
Dawn hatte mir mehr gezeigt als sie wusste, noch viel mehr als sie ahnte.
Es war nicht freiwillig gewesen, von keiner Seite aus.
Aber ich konnte nichts dagegen tun...

Ich nickte nur, unfähig, mich der Realität zu stellen.
Es war kaum zu glauben, welchen Einfluss Joshua auf mich hatte. Seine bloße Anwesenheit lösten in mir wieder die Zweifel, die mich das letzte Jahr bei jedem Schritt begleitet hatten, aus. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein. War ich jemals gut genug für ihn gewesen? Ich wusste es nicht.
Unruhig senke ich den Blick. "Er wird Fragen stellen... er wird wissen wollen, wieso ich noch lebe."
Das einzige, was mir wirklich Sicherheit gab, war Nyla. Was wäre ich nur ohne sie? Tot.

Nach der Begrüßung des Mädchens, welches zu uns gestoßen war, und während der Direktor seine Rede hielt, war ich vollends abwesend. Mir wurde schlagartig schlecht mit der Zeit und mein Gesicht verlor an Farbe. Irgendwie war heute wirklich nicht mein Tag...
Zum Glück war uns nach der Rede gestattet, endlich zu essen. Ein schwaches "Guten Appetit" verließ noch meine Lippen, als ich mit dem Essen begann. Obwohl ich solch einen Hunger verspürte, aß ich kaum. Es war fast wie bei einem Hund, welcher erkrankt war. Schon seltsam, wenn man zu seinem Animagus Parallelen aufbaute.
Mein Blick blieb fast ausdruckslos an meinem Teller hängen, auf welchem ich mühsam ein zweites Brot schmierte. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, jedenfalls sofern möglich. Wütend auf mich selbst biss ich mir auf die Unterlippe, welche an der Stelle wieder zu bluten begann, an der Lorcan mich gebissen hatte. Es schmerzte höllisch, aber irgendwie hing ich meinen Gedanken nach. Sitz, du dumme Töle. - Was will der Köter denn schon wieder? Immer diese Worte und die Schläge und Tritte für nichts... Warum kam das alles wieder? Ich wollte hier raus, doch wenn ich nun überstürzt gehen würde, käme das garantiert nicht gut...

"Du musst es ihm nicht sagen! Sag es war eine Falschmeldung!" ich streifte einen meiner Ringe ab und strich ihn über ihren Ringfinger.
"Er wird es nicht merken. Außer du willst es!"
Ihre Haut wurde unter meinen Fingern wärmer. Ihre Gesichtsfarbe gesünder.
Es war schwer so jung das ware Wesen zu unterdrücken. Aber wenn es ihr half... dann würde ich sie unterstützen. Wir würden das schon hin bekommen!
Ich machte mir da nicht sehr viele Sorgen. Dawn würde nicht so schnell sterben.
Das wusste ich...
Und ich würde auf sie aufpassen so lange es mir möglich war, oder so lange bis sie es selbst konnte.

Ich beobachtete mit großen Augen, wie Nyla mir ihren Ring überreichte und spürte, wie ich wieder einen Herzschlag hatte.
"Danke." hauchte ich und lehnte mich immer noch hilfesuchend an sie.
Ich hatte ja gewusst, dass es die erste Zeit schwer werden würde. Aber Joshi hier? Das war noch mal eine ganz andere Nummer.
Ruckartig setzte ich mich wieder auf und ließ meinen Blick durch die Halle schweifen. Wenn Joshi und auch andere Hogwartsschüler da waren... war es da nicht auch nahe liegend, dass Liv, Letrisha, Marvin und Sascha auch hier waren? Bitte nicht.
Andererseits wäre es schön, meine Freundinnen wieder um mich zu haben.
"Vielleicht war das doch keine so gute Idee." meinte ich seufzend und bezog mich damit auf die Idee, weider zur Schule zu gehen.

"Bitte Süße und jetzt Kopf hoch." ich zwinkerte ihr lächelnd zu. Das war doch selbstverständlich.
"Wenn es zu kritisch wird fliehen wir in Ordnung? Ich hätte dich nie hier her gebracht hätte ich gewusst das er, sie, hier auch sind!"
Das hätte ich ihr nie angetan.
Jetzt lag es an ihr zu entscheiden was wir taten.
Würde sie gehen wollen, würde ich mitkommen.

Einen Moment lang erwägte ich die Möglichkeit, einfach wieder zu verschwinden, einige Jahre ins Land ziehen zu lassen, Abstand zu gewinnen. Doch ich entschied mich schließlich dagegen.
"Das ist dann Plan B." sagte ich mit fester Stimme und etwas mehr Selbstbewusstsein.
Es war ein weiterer Kampf, den ich ausfechten musste. Ich konnte nicht immer vor meinen Problemen wegrennen, das war keine gute Einstellung. Und im Notfall stand Nyla hinter mir.

"In Ordnung." lächelte ich und umarmte sie noch einmal kurz.
"Du redest mit mir wenn etwas ist, verstanden?!" ich stupste sie leicht in die Seite. Ich musste jetzt extra Acht auf sie geben.
Aber deshalb war ich hier.
Ich durfte mich nicht ablenken lassen.
Nicht von meiner Tochter, nicht von Thomas, nicht von Tom und schon gar nicht von Stefan.

cf: Off

Shelly, die seit Beginn der Versammlung am Lehrertisch neben Nero gesessen hatte, schüttelte lächelnd den Kopf, als Elijah die Rede beendete. Das war mal wieder so typisch! Kein Herzlich Willkommen, keinen schönene Aufenthalt wünsche, nein, aber Drohungen. Vermutlich wollte er einfach signalisieren, dass die Dinge hier ein wenig anders liefern und die Hogwartsschüler sich besser schnell assimilieren sollten.
Als der Schweigezauber endlich aufgehoben war, legte Shelly eine Hand auf Neros Oberschenkel und sah ihn besorgt an. Sein eigenartiger Zustand war ihr natürlich nicht entgangen. "Was ist los?" fragte sie mitfühlend, aber leise. Sowas musste ja nicht gleich jeder mitbekommen, der zufällig mal einen Blick in diese Richtung warf.

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

Mit zitternder Hand umschloss ich den Kelch und führte ihn an meine Lippen. Ich fühlte mich innerlich als würde ich inmitten eines brausenden Orkans stehen und keinen Ausweg mehr sehen. Meine Augen brannten und ich senkte den Kopf.
Nein, Annabelle, wir heulen jetzt nicht, herrschte ich mich innerlich an und ließ meinen Blick kurz schweifen, nur nicht zum Lehrertisch. An einer anderen Bank saß mein heißgeliebter Bruder, doch selbst sein Anblick war mir nun willkommener als der von einem bestimmten Lehrer. Was er wohl unterrichtet?
GENUG!, scholl ich mich selbst und schob mir eine Gabel zermatschter Kartoffeln in den Mund.

Stur hielt ich den Blick auf meinen Teller gesenkt, auch wenn ich Kens Blicke mehr als deutlich auf mir spürte. Hoffentlich war hier niemand im Raum, der Gedanken lesen konnte.
Bei der Vorstellung lief es mir kalt den Rücken runter. Dann wäre ich meine Stelle wohl los.
Ich hob langsam den Blick als Shelly mich ansprach und lächelte sie schwach an.
"Alles in Ordnung....", sagte ich gezwungen grinsend und nickte noch dazu, um meinen Worten ein wenig Überzeugung zu geben.
Mein Blick huschte zum Tisch der Falken. Zu Anna. "Alles in Ordnung."

Amüsiert hielt ich meinen Blick auf Jelena gerichtet und grinste zum ersten Mal an diesem Tag richtig.
Auch, wenn ich noch immer nicht wusste, woher die beiden sich kannten. Während ich aß, überlegte ich, wann Lyna Gelegenheit gehabt haben könnte, alleine draußen zu sein und jemanden wie die Vampirin zu treffen. Vermutlich als ich nicht für sie da gewesen war. Bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht und ich ließ meine Gabel sinken und trank stattdessen meinen Saft aus während die
Schuldgefühle in mir sich gegenseitig zerfleischten.
Was hätte ich tun sollen? "Wo habt ihr euch kennengelernt?", fragte ich schließlich und stellte meinen Kelch ab, sah dann die beiden Mädchen an.

"In den Sommerferien, zwei Wochen vor dem Ende oder so", antwortete ich meinem Bruder und schob mir noch eine Gabel Nudelsalat in den Mund, ehe ich sie sinken ließ und Ares eine Hand auf den Arm legte. Ich wusste woran er dachte, konnte es hinter seiner Maske lesen und seufzte leise auf.
"Es ist alles okay", sagte ich leise auf kasachisch und sah ihn bestimmt an. Ich machte ihm keine Vorwürfe, ganz bestimmt nicht. Ares konnte nicht für die ganze Scheiße, die sich unser Leben schimpft.

"Aye, aye, Captain." meinte ich und lachte schon wieder, auch wenn mein Lachen nicht meine Augen erreichten. Der Schock saß noch zu tief.
"Sag mal... was ist das eigentlich zwischen dir und dem Schulleiter?" fragte ich belustigt und sah sie neugierig an. Der Blickwechsel zwischen den beiden war mir nicht entgangen.

Ich hatte mir in der Zwischenzeit ein fettes Stück Steak und Pommes auf meinen Teller geschaufelt.
Deswegen fiel mir das veränderte Verhalten von Anna im ersten Moment nicht auf, da ich mit Essen beschäftigt war. Langsam ließ ich meine Gabel sinken und zog die Augenbrauen zusammen.
"Also langsam hab ich das Gefühl, neben einer Irren zu sitzen." meinte ich und schob mir ein paar Pommes in den Mund.

14. September 2020 || Montag || ca. 18:00 Uhr

Ich spürte die Blicke nur zu deutlich auf mir, sie picksten mich wie tausende Nadelstiche. Mir wurde heiß und kalt zugleich und meine Hand ballte sich zur einer Faust.
Bitte, sieh woanders hin, flehte ich innerlich und hob dann den Blick bei Sashas Worte.
"Hier kann man auch nur irre werden", murmelte ich und nahm noch eine Gabel Kartoffelmatschbrei.